Schulverweigerung: Inke Hummel verrät, was jetzt hilft!
Ein Thema, das viele Familien betrifft - ein Gespräch, mit dem wir wertvolle Impulse geben möchten. Autorin: Dorothee Dahinden
Plötzlich Schulverweigerung – als Eltern stehen wir oft hilflos davor. Unsere Pädagogin hat wertvolle Tipps für betroffene Familien.
Dieser Artikel enthält Affiliate Links* Die Links und die Erklärung, was das genau ist – am Ende des Gesprächs.
Schulverweigerung: ein Thema, das laut Inke Hummel viele Familien betrifft
Mit diesem Gespräch möchten wir euch helfen. Wir wissen, wie schwierig, aufwühlend, herausfordernd und vielleicht sogar quälend die Situation sein kann. Weil scheinbar nichts hilft und der Druck oft von Tag zu Tag wächst, wenn das eigene Kind partout nicht mehr in die Schule gehen möchten. Denn Fakt ist: Schule ist in Deutschland nunmal Pflicht – wir müssen daher als betroffene Eltern eine Lösung finden. Nur: wie kann die aussehen?
Unsere SPIEGEL-Bestsellerautorin Inke Hummel hat nicht nur Verständnis für unsere Kinder, sondern eben auch diesen wunderbaren pädagogischen Blick auf die ganze Familie. Sie nimmt uns Druck, in dem sie uns Wege aus der Krise aufzeigt. Wichtig ist laut Inke beim Thema Schulverweigerung ein Minimalkonsens. Wie der gelingen kann – das verrät sie euch jetzt.
Schulverweigerung trifft Kinder jeden Alters
Liebe Inke, wie oft betreust du Familien, in denen ein Kind die Schule verweigert? Und: Hat sich da seit Corona etwas verändert bzw. sind es mehr Kinder geworden, die nicht mehr gehen wollen?
Das Thema kommt regelmäßig in meinen Beratungen vor und zwar auch recht altersunabhängig. Da sind Erst-, Sechst- und Zehntklässler dabei. Seit dem Hin und Her durch Corona, Lockdowns, Präsenz- und Distanzwochen sind es deutlich mehr Fälle bei mir geworden, übrigens auch schon vor dem Schulalter: Kitaverweigerung habe ich in dem Maß auch noch nicht so stark erlebt wie seit 2021.
Schulverweigerung – was bedeutet das für dich als Pädagogin? Was kann dahinterstecken? Was kann dazu führen – wie vielfältig ist dieses Thema?
Das Thema ist sehr vielfältig. Man muss ganz genau hingucken, welche Ursachen das haben kann.
Diese Fragen helfen, um Antworten zu finden:
Wird das Kind in der Schule gemobbt? Hat es starke Unfairness durch Lehrkräfte erfahren? Gibt es zu Hause Probleme, die sich an dieser Stelle ausdrücken? Fällt es dem Kind schwer, sich von den Eltern zu trennen oder das eigene Zimmer zu verlassen? Hat das Kind in sich ein Entwicklungsthema, das stark belastet und eigentlich nichts mit der Schule zu tun hat? Gibt es in Sachen Leistung Unter- oder Überforderung? Wirken sich Umstände aus, wie die durch Corona verursachten, zum Beispiel die Unberechenbarkeit durch Quarantäne und Schließungen, neue gesetzliche Regelungen, strenge Regeln im Schulalltag?
Wie geht es denn den Kindern, die du betreust? Wie fühlen sie sich?
Ich arbeite in der Regel nur mit den Eltern, die oft ängstlich, sorgenvoll, verzweifelt sind und häufig auch starken Druck und Unsicherheit spüren. In unserem Gesprächen wird klar, dass die Kinder sich oft sehr ähnlich fühlen: innere Unruhe durch welche Ursache auch immer, teilweise fehlende Motivation, mangelnde Zuversicht, Ängste. Und ja, natürlich ist auch bei den Kindern viel Druck: „Ich muss. Ich soll.“
Inwiefern ändern sich die Gründe je älter die Kinder werden?
Ganz pauschal kann man das nicht sagen, aber in der Tendenz sehe ich bei jüngeren Kindern eher Trennungsängste als Problem und bei älteren vermehrt Bewertungsängste.
„Wichtig finde ich eine offene Kommunikation mit der Schule.“
Das ist sicherlich für viele Eltern, und natürlich auch die Kinder, eine schwierige Situation. Wie sollten wir als Eltern jetzt vorgehen? Was ist jetzt wichtig? Wie können wir handeln, ohne das Thema noch größer zu machen?
Wichtig finde ich eine offene Kommunikation mit der Schule. Nur wenn alle Schultern Verantwortung übertragen bekommen und alle möglichen Ursachen ehrlich auf den Tisch gelegt werden, kann man Lösungen erarbeiten. Für die Kinder ist es wichtig Druck rauszunehmen, aber nicht komplett loszulassen. Ist die Ursache gefunden, sollte in kleinen Schritten daran gearbeitet werden, etwas zu verändern.
Geht es beispielsweise um Trennungsangst, hilft es ja nicht, entweder gar nicht mehr zu trennen oder quasi mit Gewalt eine Trennung zu erzwingen. Stattdessen muss geschaut werden, was gegen die Angst unternommen werden kann. Welche kleinen Helfer können auf dem Weg unterstützen? Welche Gedanken müssen mal ausgesprochen, sortiert und bewertet werden? Wie kann das Kind aktiv gemacht werden, um mit den Ängsten umzugehen, anstatt von ihnen beherrscht zu werden? Wie kann das Kind auch in einer Trennung Nähe spüren?
Schulverweigerung: der Gedanke des „Minimalkonsens“ ist wichtig
Außerdem finde ich den Gedanken des „Minimalkonsens“ wichtig dabei: Ich wünsche mir für mein Kind, dass es wieder in die Schule geht und einen geregelten Alltag hat. Mit welchem Schritt kann das beginnen? Können wir uns zum Beispiel darauf einigen, dass es wieder mit allen aufsteht und zum gemeinsamen Frühstück aus dem Zimmer kommt? Kann es zumindest in dem Fach, das es am meisten mag, zu Hause intensiv am Ball bleiben? Oder was wäre sonst ein erster Schritt? Fordern ohne zu überfordern geht mit Minimalkonsens gut.
Und das darf dann langsam ausgeweitet werden. Wenn alle Seiten ihren Anteil übernehmen: nicht nur das Kind, sondern u.a. auch die Schule. Was kann da verändert werden? Wo kann das Kind vor allem mehr Beziehung, Zuverlässigkeit, Zutrauen, Sicherheit spüren?
Inwiefern passt hier auch dein Buchtitel „Nicht zu streng, nicht zu eng“?
Der Titel bzw. der Buchinhalt passt im Grunde sehr gut zu dem Punkt aus der letzten Frage: Komplette Vermeidung einer Trennung wäre „zu eng“, rigoroses, empathieloses Zwingen wäre zu „streng“. Ein beziehungsorientierter Umgang mit einem Kind bzw. mit einem Problem befasst sich mit dem Mittelweg: auf das Kind zugehen, zuhören, ernst nehmen, Ängste anschauen, aber auch Ziele definieren, kleine Schritte nach vorn überlegen und dem Kind zutrauen, diese auch gehen zu können.
Ein Ziel bei Schulverweigerung: der Mittelweg für die Familie
Mein Buch ist nicht nur ein Ratgeber, sondern auch ein Arbeitsbuch, mit dem man hinschauen kann, wo man selbst steht und warum das möglicherweise so ist. Und mit dem man natürlich vor allem daran arbeiten kann, auf den Mittelweg zu kommen und sich dort sicher zu fühlen. In Bezug auf Herausforderungen wie Schulverweigerung, aber auch ganz andere, alltäglichere Dinge.
Ich kann mir vorstellen, dass nicht jede Lehrkraft das Thema so easy nimmt. Wir müssen jetzt unsere Kinder schützen, aber gleichzeitig meistens mit dem System leben. Wie schaffen wir die Gradwanderung?
Wenn zwei Parteien sich nicht grün werden können, empfehle ich immer, mehr Öffentlichkeit zu schaffen, mehr Personen ins Boot zu holen. Das Direktorat kann ebenso vermitteln wie der schulpsychologische Dienst, externe Sozialpädagog:innen oder auch das Jugendamt.
Der Fokus sollte immer aufs Kind gehen: Was braucht es? Was kann es? Was muss es lernen? Welche Hilfe können wir Erwachsenen von allen Seiten geben?
Hier bekommen betroffene Familien jetzt Hilfe
Wo finden wir jetzt Hilfe? Was ist nun die richtige Anlaufstelle?
Erst einmal die Schule. Sie hat genauso viel Verantwortung, dass der Schulalltag gelingt, wie die Familie. Keine Seite kann das allein schaffen. Dann ist der schulpsychologische Dienst die nächstbeste Möglichkeit. Selbst wenn es intensiverer Arbeit bedarf, sind Termine bei Kinder- und Jugendpsychotherapeut:innen leider immer noch und seit Corona verstärkt nur mit viel, viel Wartezeit zu bekommen. Schulpsycholog:innen können eine erste, rasche Anlaufstelle sein.
Versierte pädagogische Beratung, wie ich sie beispielsweise biete, kann aber natürlich auch gute Dienste leisten. Ich schaue mit den Familien auf die möglichen Ursachen, blicke ins System und gebe Impulse mit, die Veränderungen schaffen können. Ob weitere Hilfe vor Ort notwendig ist, muss man dann im Einzelfall sehen. Immer wieder natürlich ja, aber manchmal reicht auch meine Begleitung aus, so dass die Eltern gestärkt allein weiterkommen.
Hast du einen Mutmacher für alle Eltern und Kindern in der Situation?
In meinen Beratungen ist es immer ein großer Mutmacher, wenn die Eltern hören, dass ihre Familie mit dem Thema wirklich nicht allein ist und dass die Schule ebenso Verantwortung dafür trägt, dass der Schulbesuch gelingt. Außerdem hilft es vielen zu sehen, dass das Verändern manchmal Zeit braucht und dass das so sein darf. Wenn jemand ein gebrochenes Bein hat, benötigt es auch Zeit, Heilung, Reha, bis das Gehen wieder einwandfrei funktioniert. Diese Zeit müssen wir uns nehmen bzw. unseren Kindern zugestehen.
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