Regretting Motherhood: über das Unwohlsein in der Mutterrolle!
Unsere Psychologin Nina Grimm klärt auf & eine betroffene Mutter erzählt!
Was ist Regretting Motherhood genau? Wie fühlen sich betroffene Frauen? Eine Mutter gibt uns persönliche Einblicke.
Regretting Motherhood: Ein Thema, das schwer ist. Ein Thema, von dem manche Eltern nichts wissen wollen. Warum? Weil sie sich nicht vorstellen können, die Elternschaft zu bereuen. Schließlich war es ja – überspitzt gesagt – eine „bewusste Entscheidung“. So einfach ist es aber nicht bei allen Eltern. Und umso wichtiger finde ich, Doro, es, dass wir über genau dieses Thema auf MutterKutter sprechen. Um den betroffenen Müttern Raum zu geben. Raum für ihre Gefühle. Raum für mehr Sichtbarkeit. Und eben auch Raum, um Hilfe zu finden, wenn sie diese benötigen.
Regretting Motherhood: eine Psychologin und eine Betroffene im Gespräch zum Thema!
Helfen möchte nun auch unsere Nina Grimm. Nina ist Psychologin, Bestsellerautorin und Influencerin. Sie gibt uns erst einmal knackiges Hintergrundwissen zum Thema. Danach spreche ich noch mit Franziska. Sie war bereit, uns ihre Geschichte zu erzählen und uns so Einblicke in ihre Gefühlswelt zu geben.
„Schuld ist ein großes Thema, ebenso wie Minderwertigkeitsempfinden bis hin zu Depression.“
Nina Grimm, Psychologin (M.Sc.) und Psychologische Psychotherapeutin (i.A.)
Liebe Nina, der Begriff „Regretting Motherhood“ wandert immer mal wieder durch die Medien. Wie kam er auf, wer hat ihn geprägt?
„Regretting Motherhood“ – das war der Titel einer Studie, die 2015 veröffentlicht wurde. Die israelische Soziologin Orna Donath hatte Frauen befragt, die angaben, dass sie die Zeit gerne zurück drehen würden, um keine Mutter mehr zu sein.
Was bedeutet der Begriff genau? Was steckt dahinter?
Wichtig ist es, diesen Begriff abzugrenzen von dem normalen „genervt sein“, das jede Mutter kennt. Wir alle haben Momente, in denen wir die kleinen Engel gerne einfach loshätten, um spontan mit dem Cabrio auf eine Party zu fahren. Das ist NICHT Regretting Motherhood.
Regretting Motherhood bedeutet ein tiefes Bedauern, Mutter geworden zu sein. Die betroffenen Frauen lieben zwar ihr Kind, hassen aber die Mutterrolle. Das führt zu sehr extremen Gefühlen, wodurch die Beziehung zu dem Kind meistens beeinträchtigt ist.
„Schuld ist ein großes Thema.“
Wie geht es den Frauen emotional? Und unter welchem Druck stehen Mütter, die so fühlen?
Schuld ist ein großes Thema, ebenso wie Minderwertigkeitsempfinden bis hin zu Depression. Der Druck ist extrem hoch, da vielen Rollenerwartungen, die eine Gesellschaft an die Mutter stellt, nicht erfüllt werden können. Das ist aus psychotherapeutischer Sicht immer ein Warnhinweis für eine echte psychische Krise!
Wie oft hast du schon in deiner Arbeit mit Müttern gesprochen, die ihre Mutterschaft bereuen?
Die „normale“ Reue begegnet mir fast alltäglich. Hier ist es wichtig die Sehnsucht, die dahinter liegt, herauszuarbeiten. Denn die kann anderweitig realisiert und gelebt werden: Freiheit, Selbstbestimmung, wieder „ICH“ zu sein, fernab von der Mutterrolle.
Wichtig ist, das eben nicht gleichzustellen mit „Regretting Motherhood“. Diese Fälle habe ich in der präventiven Elternberatung selten. Und wenn doch, dann verweise ich sie an entsprechende ambulante psychotherapeutische Stellen vor Ort.
Regretting Motherhood: es entsteht eine Diszanz zum Kind
Bereuen heißt aber nicht gleich – das hast du ja eben auch schon gesagt – „Ich liebe mein(e) Kind(er)“ nicht, oder? Kannst du das bitte trotzdem noch einmal genauer erläutern?
Nein! Mütter, die die Mutterschaft bereuen, lieben ihre Kinder durchaus. Sie haben aber Schwierigkeiten in die Mutterrolle zu finden: Sie leiden bspw. unter der Fremdbestimmung, dem ständigen „zur Verfügung“ stehen müssen oder fühlen keine Erfüllung, wenn sie ihr Baby anschauen usw.
Nochmal: das kennen viele bis alle Mütter! Bei Regretting Motherhood führt das aber zu einer Distanz zum Kind, die von den Müttern nur sehr schwer – bis gar nicht – überwunden werden kann. Sehr bezeichnend ist das Gefühl, dass sich diese Mütter ihr Kind anschauen und es befremdlich finden, dass das „ihr“ Kind sein soll. Dass sie die Mutter sein sollen. Das Kind ist wie ein Fremdkörper im System.
Alternative Bindungspersonen sind wichtig!
Aber was ist, wenn eine Mutter ihr Kind nicht liebt? Das Kind wird es wahrscheinlich spüren, oder? Was wäre dann ein möglicher Weg für die Familie?
Mütter, die wirklich „Null Komma Null“ Liebe für ihr Kind spüren, sind meistens psychisch sehr stark belastet – und ja, das hat definitiv Auswirkungen auf das Kind. Wenn dem Kind aber alternative und vor allem stabile und liebende Bindungspersonen zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel die Oma oder gar eine Adoptiv-Familie, kann es dennoch später gesund und vor allem beziehungsfähig sein.
Erlaube es dir hinzuschauen und herauszufinden, was hinter der Reue steckt.
Es gibt nur wenige Mütter, die sich trauen, darüber zu sprechen. Öffentlich schon gar nicht. Wiewichtig ist es deiner Meinung nach, dass wir dieses Tabu brechen?
Sehr wichtig bis existenziell. Je mehr wir es als Gesellschaft schaffen, die Tabu-Themen auf den Tisch zu packen, umso leichter wird es für die Betroffenen sich damit zu zeigen. Desto leichter kann ihnen Hilfe angeboten werden.
Ab wann sollten wir uns Hilfe holen? Und wo finden wir sie?
Wenn du den Alltag nicht mehr bewältigen kannst und deine Stimmung mindestens 14 Tage am Stück gedrückt ist, solltest du dir spätestens professionelle Hilfe holen.
Leider ist das „wo“ immer noch ein großes Problem; die niedrigschwelligste Möglichkeit ist lokale Familienberatungsstellen, auch Einrichtungen wie pro familia können weiterhelfen.
Was ist dein persönlicher Rat an alle Mütter, die ihre Mutterschaft bereuen?
Erlaube es dir hinzuschauen und herauszufinden, was hinter der Reue steckt. Und nimm diese Sehnsucht so wichtig, dass du sie dir mindestens einmal in der Woche selbst erfüllst – ganz fernab vom Mama-Alltag.
Mehr über Nina Grimm:
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„Ich will keine Mutter sein. Ich bin erschöpft. Ich habe keine Kraft dafür.“
Franziska Burkhardt, Speakerin
Speakerin und Performance-Künstlerin Franziska Burkhardt ist mit dem Thema Regretting Motherhood den Schritt in die Öffentlichkeit gegangen. Über sie wurde in verschiedenen Medien berichtet. Auch MutterKutter gibt sie jetzt ganz persönliche Einblicke in ihre Gefühlswelt.
Liebe Franziska, wie begann bei dir alles? Welche Gedanken und Gefühle hattest du gegenüber der Mutterschaft? Und wann bist du das erste Mal mit dem Begriff „Regretting Motherhood“ in Berührung gekommen?
Ich wurde einen Monat nach der Geburt mit meinem Kind allein gelassen, alles lastete auf mir. Dieser Zustand ließ mich zusammenbrechen. Im Jahr 2015 erlitt ich dann eine Panikattacke. An diesem Abend konnte ich einfach nicht mehr. Ich konnte und wollte mich nicht mehr allein kümmern. Als der Notarzt kam, ließ ich mich eine Nacht in die Psychiatrie mitnehmen. Der Kindspapa musste gezwungenermaßen für unser gemeinsames Kind Sorge tragen. Ich nahm mir eine Auszeit bei meiner Schwester und nach einiger Zeit tauchten diese Gedanken auf:
„Ich bereue diese Entscheidung Mutter zu sein. Es ist mir zu anstrengend. Ich bin dafür nicht gemacht.“
„Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht? Was habe ich mir dabei gedacht, als ich gesagt habe: Ich will, ich will das Kind behalten. Ich mach das! Ich mach das auch allein. Habe ich überhaupt darüber nachgedacht, was es bedeutet, Mutter zu sein? Was es bedeutet Verantwortung für ein Kind zu übernehmen? Ich will keine Mutter sein. Ich bin erschöpft. Ich habe keine Kraft dafür. Das Muttersein ist anstrengend. Ich dachte: Weil ich eine Frau bin kann ich das. Ich dachte: Muttersein ist eine Erfüllung. Ich bereue diese Entscheidung Mutter zu sein. Es ist mir zu anstrengend. Ich bin dafür nicht gemacht…“
(Monolog aus meiner Performance „Eine Mutter_schafft“ 2020)
2015 kam Orna Donaths Studie über bereuende Mütter heraus. Das war für mich eine Erleuchtung, weil ich dann erfahren habe, dass ich nicht allein war und dass so viel mehr noch in diesem „Regretting Motherhood“ steckte. Heute weiß ich: Es ist ein Symptom dieses patriarchalen Systems, unter dem Frauen und Mütter leiden.
„Ich hatte eine bestimmte Vorstellung vom Muttersein.“
Was verbindest du denn mit dem Muttersein? Und ist es so, dass du die Rolle der Mutter eine Zeit lang gerne wieder abgestreift hättest? Wenn ja: woran lag das? Waren das die äußeren Umstände oder einfach ein tiefes Gefühl? Bitte nimm uns doch mit in deine Geschichte…
Der Wunsch, Kinder zu haben, kam schon sehr früh. Ich hatte eine bestimmte Vorstellung vom Muttersein, quasi: die absolute Erfüllung einer jeden Frau. Ich sah in dieser Rolle eine Art Richtungsweisung, die Mutterschaft als Zufluchtsort, etwas was mir Befriedigung und Erfüllung geben wird. Da kam nie der Gedanke auf: „Das könnte anstrengend werden“.
Regretting Motherhood: „Die Mutterrolle macht mir enormen Druck.“
Mutter zu sein ist für mich oft überfordernd. Ich bin sehr sensibel und kann bestimmte Einflüsse von außen nicht so gut filtern. Das weiß ich aber auch erst seit drei Jahren. Leider gerate ich schnell unter Druck – und die Mutterrolle macht mir enormen Druck. Mir fehlt die Leichtigkeit in der Mutterschaft. Ich schaffe es nicht, Entspannung reinzubringen.
Kinder sind unvorhersehbare Wesen. Da musst du von jetzt auf gleich eine Lösung parat haben und oft improvisieren. Und dieses ganze Gefühlsthema, das Kinder mitbringen, ist Fluch und Segen zugleich für mich. Hätte mir jemand gesagt, dass ich nochmal durch meine ganze Kindheit stiefeln muss als Mutter, wer weiß… Kinder zeigen dir, wie du wirklich bist, das kann ganz schön hart sein. Trotzdem bin ich durch all diese Erfahrung zu einer Person geworden, die unglaublich viele Potentiale und Seiten an sich entdeckt hat. Manchmal denke ich: Das musste alles so kommen, damit ich an meine Muster herankomme.
Ich konnte in den letzten Jahren einige Konflikte lösen.
Durch meine Kunst, die ich mache, und der grundsätzlichen Beschäftigung mit dem Mutterthema, konnte ich – wie in einer Art Selbsttherapie – bestimmte Konflikte lösen und besser verstehen. Außerdem haben mir die Signale meines Körpers geholfen. Ich leide an psychosomatischen Rückenschmerzen seit meiner Mutterschaft. Verschiedene unbefriedigende Therapie- und Arztbesuche habe ich hinter mir, bis ich selbst verstanden habe: „Franzi du deckelst deine Gefühle im Rücken, um dich zu schützen“. Da steckt ganz viel drin.
Die Erfahrung „mit Verantwortung allein gelassen zu werden“ – die kenne ich aus meiner Kindheit. Und als ich 2013 als junge Mutter verlassen wurde, fand eine sogenannte Retraumatisierung statt. Einfach weil ich eine bestimmte Situation noch einmal durchgemacht habe. Das hat sehr viel mit der Familie, aus der ich komme, zu tun. Als Mädchen wirst du da einfach reingeschmissen – und zwar in dieses „sich sorgen“, „behüten“, „sauber machen“, „kochen“, „brav sein“, „Wut verstecken“ etc. Ich hab das alles schön mitgemacht. Ich habe mich als Kind selten getraut zu widersprechen und irgendwann Anerkennung durch meine unfassbare Selbstständigkeit und den Fleiß erhalten.
Mit elf Jahren wurde ich schon einmal verlassen. Von meinen Eltern. Ich sollte ein Wochenende lang auf meine drei Jahre jüngere Schwester aufpassen und sie versorgen. Allein. Es gibt die Erinnerung daran, dass ich heulend vor meiner Mutter stand und sagte: „Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll.“ Die totale Überforderung war das. Genau das habe ich mit 28 Jahren – bloß in einer anderen Form – noch einmal erlebt.
Ich lebe glücklich im Wechselmodell!
Heute streife ich durch das Wechselmodell die Mutterrolle immer in der Woche ab, in der ich mein Kind nicht habe. Es fällt mir nicht schwer und ich vermisse da auch nichts. Ich liebe diese Zeit mit mir. Meistens verschwinden da auch meine Rückenschmerzen und ich bin richtig gelöst.
Was heißt für dich „die Mutterschaft bereuen“? Trifft es der Begriff wirklich? Was denkst du? Viele denken ja: „Regretting Motherhood“ ist gleich „das eigene Kind nicht lieben“ – wie ist das genau?
Damals – nach der Panikattacke – war es Reue. Später und über die letzten Jahre sehr viel Überforderung mit allem. Die Reue war einfach immer wieder da. Eben durch negative Erfahrungen mit Ämtern, dem Kindsvater und der eigenen Herkunftsfamilie. Ich habe mich im Stich gelassen gefühlt und ich hatte einfach selten Zeit für mich. Reue beinhaltet für mich aber noch ganz viel mehr. Da ist Wut, da ist Trauer, Überforderung, Erschöpfung, Enttäuschung und Hilflosigkeit, Sehnsucht nach Liebe und Entlastung.
Reuegefühle oder Konflikte kamen oft in einer bestimmten Situation, die mich überforderten. Zum Beispiel, wenn ich gestresst durch äußere Faktoren war, dazu mein Kind einen bestimmten Gefühlsausbruch hatte, der womöglich noch in der Öffentlichkeit stattfand. Dazu kam, dass ich immer allein mit diesen Situationen war. Ich war ja Alleinerziehende. Das war so hart.
„Heute weiß ich: es war viel zu viel.“
Zusätzlich hatte ich mich mit neuen Projekten – neben der Uni – abgelenkt. Freunde sagten immer wieder: „Wow wieviel du machst.“ Ich habe das überhaupt nicht so wahrgenommen. Heute weiß ich: es war viel zu viel. Ich hatte mich zusätzlich überfordert.
Ein Kind zu haben ist heutzutage eine enorme Belastung. Einfach, weil die Rahmenbedingungen immer enger werden. Ich denke: Wir scheitern schon oft an dem uns Frauen anerzogenen Perfektionismus und dem kapitalistischen Leistungsdenken. Dazu kommen aber noch die transgenerational ererbten Traumata der Frauen, die wir in uns tragen.
Ich trage definitiv die Erschöpfung meiner Mutter und meiner Urgroßmütter in mir. Darüber würde ich total gerne ein Buch schreiben. Sowieso hat mich meine Erfahrung mit Reue in so viele spannende Themen gucken lassen. Vor allem in das der berufstätigen Mütter in der DDR. Ich bin da hineingeboren, mir wurde das vorgelebt. 40 h die Woche zu schaffen und gleichzeitig Kinder groß zu ziehen. Reue ist so ein Ausdruck. Ein Symptom dieses – für Männer gemachten – Systems, in dem Frauen und Mütter super oft schon erschöpft ihren Tag beginnen, aber am liebsten auf die Straße gehen würden, um ihre Wut und den Frust über das, was hier schief läuft, zu äußern. Leider verstecken wir das viel zu oft hinter den Haustüren, den Social Media Accounts und den für unsere Kinder gebackenen Geburtstagsküchlein.
„Ich liebe mein Kind.“
Ich liebe mein Kind. Es gab und gibt immer wieder Momente mit ihr, die mich überraschen. Diese Liebe verändert sich aber auch mit dem Älterwerden des Kindes. Als meine Tochter klein war, empfand ich die Liebe viel intensiver als jetzt zum Beispiel. Für mich ist Liebe nicht stetig. Ich empfinde die Liebe zum meinem Kind ambivalent. Jemandem Liebe gegenüber zu empfinden drückt sich in so viel verschiedenen Facetten aus. Es ist für mich mehr als ein Gefühl.
Regretting Motherhood: „Durch die medialen Anfragen habe ich gemerkt, dass ich eine wichtige Rolle für viele Mütter einnehme, denen es auch so geht.“
Du bist eine von den wenigen Frauen, die über das Thema spricht – das ist sicherlich für viele erleichternd. Warum bist du den Schritt in die Öffentlichkeit gegangen und wie waren die Reaktionen?
Ich wurde eigentlich wegen meiner Performance zu Mutterschaft von einem Fernsehsender angesprochen. In der verarbeite ich die ersten Jahre meiner Mutterschaft. Ein Teil davon behandelt meine Erfahrung mit Reue. In dem Beitrag wurde Regretting Motherhood ziemlich herausgestellt – und wenige Monate, nachdem der Beitrag veröffentlicht wurde, kamen dann Anfragen von Radiosendern und einem weiteren Fernsehsender.
In der Corona-Zeit habe ich mich dem Thema auch nochmal neu gewidmet. Ich hatte viel Zeit und wollte unbedingt noch mehr Parallelen zwischen mir und anderen Müttern finden. Durch die medialen Anfragen habe ich gemerkt, dass ich eine wichtige Rolle für viele Mütter einnehme, denen es auch so geht. Es hat sich richtig und wichtig angefühlt, das zu tun. Es ist ja meine Geschichte, mein Leben und warum soll das falsch sein, darüber zu erzählen. Ich hatte so viel durchgemacht, sollten es doch alle hören.
Ich sehe mich als Speakerin für Regretting Motherhood
Die Kommentare unter den Beiträgen waren sehr spannend, es gibt einige Menschen, die das Thema gar nicht greifen können, weil sie noch so sehr an diesen alten Mutterbildern hängen und dann natürlich auch das Kind in Gefahr sehen. Ich bekomme regelmäßig Emails oder Nachrichten über Instagram, in denen ich große Dankbarkeit erfahre. Letztens kam eine Mutter extra von weit her angereist, um an dem Müttergruppe-Treffen teilzunehmen, das hat mich sehr berührt.
Mittlerweile sehe ich mich als Speakerin für Regretting Motherhood, weil ich es selbst erlebt habe und weil ich den Weg daraus kenne. Ich möchte weiterhin über dieses Thema aufklären und habe mir deshalb auch bei speakerinnen.org eine Plattform dafür eingerichtet.
Mütter sollten echte Orte des Austauschs schaffen
Was wünscht du allen Betroffenen, die schweigen müssen, weil das Thema ein Tabu ist? Und wo können sie sich Hilfe holen? Hast du ein paar konkrete Tipps?
Mütter brauchen Plattformen, einfach Orte, an denen sie ihre Sorgen, ihre Not und Überforderung mitteilen können. Davon gibt es zu wenig. Gut wäre es, sich erst einmal einer Einzelperson anzuvertrauen und über diese Konflikte und Gefühle mit der eigenen Mutterrolle zu sprechen.
Ich ermutige Mütter dazu, eine Gruppe zu gründen. Im eigenen Wohnort zum Beispiel. Eine Art „Mütterstammtisch“ mit einer „hau raus-Runde“, wie eine Teilnehmerin an meinem Spürzeit-Wochenende für Mütter sagte. Eine Runde, in der diese Schattenseiten des Mutterseins angesprochen werden dürfen und Raum haben.
Es ist wichtig, dass wir Mütter das Thema Regretting Motherhood ansprechen!
Wenn die Not groß ist, können Betroffene auch bei Mütterinitiativen, Frauenzentren oder Familienberatungsstellen wie pro familia anrufen. Leider aber habe ich in Erfahrung gebracht, dass es kaum Beratungsangebote, die genau diese Themen ansprechen, gibt. Dennoch ist es wichtig, das anzusprechen, damit sich die Angebote für Mütter verändern oder endlich geschaffen werden.
Demnächst werde ich mich in Weimar mit der örtlichen Familienberatungsstelle treffen und erst einmal über „Reuegefühle in der Mutterschaft“ aufklären, um dann gemeinsam ein neues Beratungsangebot oder Konzept dafür zu entwickeln.
Wichtig zu wissen für Betroffene: Ihr seid damit nicht allein, es gibt so viele Mamas, die ähnlich fühlen. Lasst uns wieder mehr in Verbindung, ins Miteinander gehen. Ich finde, dass Frauen so viel Power haben und diese in den letzten Jahren so erschöpft wurden, das wir einen Wandel brauchen. Klingel bei deiner Nachbarin und frag um Hilfe. Schildere deinem Arbeitgeber/deiner Arbeitgeberin, was du brauchst um gut arbeiten zu können. Fordere deine Rechte ein. Wir haben ganz viel Potential und ich denke: Wir sollten uns das zurückholen.
Lieben Dank für dein Vertrauen und dieses Gespräch, liebe Franziska!
Mehr von Franziska Burkhardt:
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