Wochenbettdepression: Was ist das eigentlich genau?
Unsere Psychologin klärt auf!
Was ist eine Wochenbettdepression überhaupt? Wen kann sie treffen?
Unsere Psychologin Isabel Huttarsch erklärt euch, welche Gefühle hochkommen können, wieviele Frauen sie ereilt und was ihr unbedingt tun solltet, wenn ihr merkt: Ich kann nicht mehr. So wie Mama Katrin, die uns berührend und ehrlich erzählt hat, wie sie ihre Wochenbettdepression erlebt hat. Hier geht es zum Interview + Film.
„Eine Wochenbettdepression kann jede Frau treffen.“
Wenn wir Mutter werden, fahren die Hormone Achterbahn. Und mit ihnen unsere Gefühle, unsere Gedanken, ja unser gesamtes Sein. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt im minütlichen Wechsel. Sorgen, Ängste und Zweifel geben sich die Hand. Und zur Ruhe – ja was war Ruhe doch gleich?! – finden wir selten. Auf einmal ist so vieles anders und es dauert seine Zeit, bis wir uns in diesem Prozess selbst wieder finden. So oder so ähnlich erleben viele Frauen die erste Zeit mit Kind.
In diesen ersten Wochen und Monaten passiert viel mit unserem Körper und unserer Seele. Von Zeit zu Zeit passieren dabei auch Dinge, mit denen wir so nicht gerechnet haben. Wie etwa eine Wochenbettdepression (postpartale/postnatale Depression). Manchmal schleicht sie sich in das Chaos der Anfangszeit ein, ohne dass wir zunächst Notiz von ihr nehmen und manchmal ist sie auch einfach plötzlich da, mit voller Wucht, mitten in unserem Leben. Mitten in uns.
„Hauptsache, das Kind ist gesund.“
Egal, wie sie ihren Weg zu uns gefunden hat: Es liegt nicht in unserer Hand, darüber zu entscheiden, ob wir nach der Geburt psychisch gesund bleiben oder nicht. Eine Wochenbettdepression kann jede Frau treffen. Frauen in jedem Alter, mit jeder Anzahl an Kindern, mit jedem sozialen Status.
Insgesamt erkranken etwa 15% aller frisch gebackenen Mamas an einer depressiven Störung, noch bevor ihr Kind ein halbes Jahr alt ist. Und dennoch halten wir als Gesellschaft an dem Credo fest: „Hauptsache, das Kind ist gesund.“ Was wir dabei vergessen, ist das unglaubliche Leid, das betroffenen Frauen und ihren Familien dabei widerfährt. Denn das müssen und dürfen wir nicht einfach hinnehmen.
Doch was ist eine Wochenbettdepression überhaupt?
Die eine Wochenbettdepression gibt es nicht. Sie hat ebenso viele Gesichter wie die Frauen, die von ihr betroffen sind. Und doch gibt es übergreifende Merkmale, die gehäuft auftreten und als diagnostische Kriterien herangezogen werden können.Von einer Wochenbettdepression betroffene Frauen empfinden nach der Geburt ihres Kindes über mehrere Tage und Wochen hinweg eine deutlich gedrückte, depressive Stimmung, fühlen sich niedergeschlagen und hoffnungslos, sind verzweifelt oder auch gefühlstaub. Häufiges und anhaltendes Weinen kommt ebenso häufig vor wie scheinbare Teilnahmslosigkeit.
Schuldgefühle
In der Konsequenz machen sich viele Frauen Vorwürfe, nicht ausreichend für ihr Kind da zu sein oder alles falsch zu machen. Sie fürchten sich davor, die Bindungsbeziehung zu ihrem Kind zu gefährden. Manchmal überkommt betroffene Frauen auch das Gefühl, mit allem überfordert zu sein und Angst vor dem, was kommt. Möglicherweise verlieren sie das Interesse an fast allen Dingen, die ihnen eigentlich einmal Freude bereitet haben. Fatal ist: Sie fühlen sich selbst schuldig für das alles, sind wie gelähmt und ziehen sich in der Folge noch weiter zurück.
Alles ist einfach nur noch anstrengend. Und so erleben sie sich selbst über mehrere Tage und Wochen hinweg komplett kraft- und energielos. In dieser Phase zweifeln frisch gebackene Mütter häufig an sich selbst. „Bin ich überhaupt etwas wert?“ Entscheidungen zu treffen fällt zunehmend schwer. Und auch wenn das Baby schläft, gelingt es ihnen trotz enormer Müdigkeit oft nicht, einzuschlafen. Auch der Appetit kann sich deutlich verringern oder über die Maße ansteigen. Auftretende Gedanken an den Tod oder daran, sich das Leben zu nehmen, sind ein ernstzunehmendes Warnsignal, das dringend Beachtung finden muss.
Betroffenen Frauen fällt es aus der Charakteristik der Wochenbettdepression heraus meist schwer, selbst zu erkennen, dass etwas nicht in Ordnung ist. So sind es häufig Partner*innen und/oder andere Familienmitglieder, die das Gefühl haben, dass etwas „nicht stimmt“.
Bitte zögert nicht! Sucht euch Hilfe!
Mein Appell an Angehörige dieser Stelle lautet deswegen: Zögert nicht! Holt Hilfe! Vertraut euch jemandem an. Es gibt immer einen Weg. Und bitte: Hofft nicht darauf, dass alles von alleine wieder besser wird. Denn das wird euch als Familie viel Leid bereiten. Viele betroffene Frauen und Familien zögern, wenn es darum geht, Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie unsicher sind, ob es wirklich angebracht ist, sich Hilfe zu holen. Gegenfrage: Was würdest du bei einem akuten Verdacht auf einen Blinddarmdurchbruch tun? Einfach abwarten oder eine*n Experten*in nach seiner*ihrer Einschätzung fragen?
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Du hast das Gefühl, selbst betroffen zu sein? Nimm dich und dein Empfinden ernst. Sei achtsam mit dir. Und stehe für dich ein. Denn damit tust du es auch für dein Kind.
Eine umfassende Liste mit fachkundige*n Ansprechpartnern*innen vor Ort findest du auf der Internetseite der „Initiative peripartale psychische Gesundheit Schatten und Licht e.V.“.
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