Elternsein

Melde dich: Kontaktabbruch zu den eigenen Kindern?

Paarcoach Sascha Schmidt erklärt, was verlassene Eltern tun können. Autorin: Dorothee Dahinden

von
Dorothee Dahinden

Melde dich: Wenn erwachsene Kinder sich nicht mehr melden – was steckt dahinter? Und was können verlassene Eltern jetzt tun?Paarcoach und MutterKutter-Gastautor Sascha Schmidt gibt Antworten.


Unbeauftragte Werbung*: Dieser Artikel enthält einen Affiliate Link* – was das genau ist, erfährst du am Ende des Interviews, direkt hinter dem Link.


Melde dich – das Interview:

„Mein Tipp ist, sich als Mutter oder Vater der eigenen Verantwortung an der Situation verdeutlichen.“

Paarcoach Sascha Schmidt

Lieber Sascha, was war der Impuls, dieses Buch zu schreiben? 

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Sascha Schmidt, Paarcoach & familylab-Berater

Ich habe immer wieder Paare in der Beratung, die mir erzählen, dass der Kontakt zu den eigenen Eltern schwierig bis nicht vorhanden ist. Da wurde ich neugierig und bin in das Thema eingestiegen.

Wie oft erlebst du Eltern, die kaum oder keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern haben? 

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Aus meinem persönlichen Umfeld kenne ich eine Person, die radikal den Kontakt als Selbstschutz eingestellt hat. Ansonsten erlebe ich in den Beratungen eher ein gestörtes Verhältnis zu den eigenen oder Schwiegereltern. Nach dem Motto: Immer kommt deine Mutter zu besuch, das nervt langsam.

„Kein Kind bricht einfach so den Kontakt ab.“

Was sind deiner Erfahrung nach die Gründe für den Kontaktabbruch? 

Kein Kind bricht einfach so den Kontakt ab. Auch wenn es für die betroffenen Eltern manchmal wie aus dem Nichts kommt. Es liegt oft eine lange, schwierige und emotional belastende gemeinsame Eltern-Kind-Geschichte vor. Das geht von körperlichem und seelischem Missbrauch bis hin zur Überbehütung und nicht loslassen wollen seitens der Eltern. Die Kontaktminderung und der -abbruch sind eine Abgrenzung der Kinder vor dem elterlichem Verhalten in der Vergangenheit und Gegenwart.

„Meiner Erfahrung nach ist es sehr hilfreich, wenn Eltern diesen ersten Schritt gehen.“

Angenommen, eine Mutter/ ein Vater liest mit, ist aktuell traurig, weil sich das Kind zurückgezogen hat, kaum noch meldet und klar signalisiert: Ich brauche dich nicht. Wozu rätst du? Wie können sie mit so einer Situation umgehen? 

Genau für diesen Fall ist das Buch geschrieben. Mein Tipp ist, sich als Mutter oder Vater der eigenen Verantwortung an der Situation verdeutlichen. Also nicht über das Kind schimpfen, beleidigt sein und warten, dass das Kind sich ändert. Sondern stattdessen in der Selbstreflexion mein elterliches Verhalten früher und heute hinterfragen. Das tut weh. Gleichzeitig liegt da das Licht am Ende des Tunnels, wenn mein Kind merkt, dass ich bereit bin, meinen Anteil an der zerrütteten Situation anzuerkennen und für die Zukunft zu ändern, dann öffnet sich ein neues Kontaktfenster. Meiner Erfahrung nach ist es sehr hilfreich, wenn Eltern diesen ersten Schritt gehen.

Was ist dein Rat generell an Eltern, die das Band zu ihren eigenen Kindern verloren haben?

Mir sagte neulich eine Mutter zweier erwachsener Kinder etwas ganz Treffendes: Wenn Kinder sich nicht melden, dann geht es ihnen gut. Das finde ich klasse!

Und hier liest du einen Auszug aus Saschas neuem Buch „Melde dich mal wieder!“:

Kontaktabbruch zu Eltern: Wieso erwachsene Kinder sich manchmal kaum noch melden

Nähe oder Distanz? Enge oder Ferne? Aktiv oder passiv? Anerkennend oder abweisend? Wie wollen Sie Ihren Kontakt zu Ihren erwachsenen Kindern halten und leben?

Wenn Ihr Kind den Kontakt zu Ihnen mindert, pausiert oder abbricht, dann hat es seine Gründe. Es reagiert auf Situationen im Hier und Jetzt und zeitgleich werden Erfahrungen und Erinnerungen aus der Vergangenheit wieder getriggert. Das führt dazu, dass ihr Kind sich zum Beispiel nach einem Telefonat mit ihnen erschöpft fühlt, obwohl es inhaltlich gut gelaufen ist.

Doch es reicht eine Aussage, eine Haltung im Gespräch, die ihr Kind an das Eltern-Kind-Verhältnis von früher erinnert. Die Erfahrungen sind tief im Unterbewusstsein und emotionalem Gedächtnis gespeichert. Die Ursachen einer Kontaktminderung liegen im Spannungsfeld von Bindung und Autonomie. Konkret: Kinder erfuhren früher elterliche Kontaktlosigkeit oder grenzenlosen Kontakt. Darauf reagieren sie heute im erwachsenen Alter immer noch.

Erste Ursache: Kontaktlosigkeit als Familien-DNA

Die frühkindlichen Erfahrungen bestimmen massiv unser zukünfti­ges Erleben und Verhalten. In den ersten Lebensjahren entwickeln Kinder ihr Urvertrauen in ihre Eltern und in die Welt, in der sie leben. Elterlicher Augenkontakt, körperliche Berührungen und zugewandte Wörter sind essenziell, damit ein Kind sich sicher fühlt. Bleiben diese Signale aus, entwickelt das Kind einen Überlebensmodus, um in dem unsicheren oder kontaktlosen familiären Umfeld bestehen zu können.

„Sie können Kontakt nur bis zu einem gewissen Level halten, dann wird es schwer, weil Sie innere Trauer oder Wut spüren.“

Die Vergangenheit können Sie nicht ändern. Das was war, ist gewesen. Doch Sie können anerkennen, dass sie Ihrem Kind eine Bürde in die Wiege gelegt haben – die Erfahrung von Kontaktlosigkeit. Alle Eltern geben immer das Beste, was sie geben können. Bitte verinnerlichen Sie diese Grundhaltung!

Sie hatten damals Ihre Gründe, wieso es Ihnen nicht gelang, das Urvertrauen Ihres Kindes gut aufzubauen und zu bedienen. Vielleicht waren Sie zu jung, zu viel mit sich selbst beschäftigt oder die Umstände erforderten, dass Ihre Aufmerksamkeit woanders liegen musste. Womöglich haben Sie selbst als Kind nicht elterliche Liebe und herz­lichen Kontakt erfahren dürfen. Sie sind also selbst tief im Inneren verschlossen. Sie können Kontakt nur bis zu einem gewissen Level halten, dann wird es schwer, weil Sie innere Trauer oder Wut spüren. Sie merken, dass hat mit Ihrer Biografie und nicht mit ihrem Kind zu tun. In diesem Fall haben Sie eine verbindende Gemeinsamkeit zu ihrem Kind. Sie beide haben Kontaktlosigkeit erfahren.

Was Sie tun können!

Es ist ihre Entscheidung, ob Sie die Kontaktlosigkeit beenden wollen oder nicht. Ob es gelingt, steht zugleich in den Sternen, denn ob Ihr Kind bereit ist, Ihr Angebot anzunehmen, können Sie nicht beeinflus­sen. Somit besteht die Gefahr, dass Sie sich gar nicht erst öffnen, um nicht zu scheitern und enttäuscht zu werden. Keine Veränderung auf Ihrer Seite bedeutet, dass die Kontaktlosigkeit sich höchstwahrscheinlich verfestigen wird.
Wenn Sie eine Veränderung beginnen wollen, dann sollten Sie folgende Fragen mit einem satten JA beantworten können:

Sind Sie bereit?

1. Bin ich bereit, mich zu ändern?
2. Bin ich bereit, meine eigene Biografie aufzuarbeiten?
3. Bin ich bereit, Verantwortung für mein elterliches Tun zu über­ nehmen?
4. Bin ich bereit, mich meinem Kind zu offenbaren?

Je mehr sie sich selbst verstehen, umso mehr werden Sie ihr Verhal­ten als Mutter oder Vater verstehen können. Auf diesem Selbstverständnis basiert die Übernahme der Verantwor­tung. Sagen Sie Ihrem Kind: „Ja, so habe ich mich damals verhalten. Ja, ich habe dich alleine gelassen. Ja es hat knapp 55 Jahre gedau­ert, bis ich bereit war, mich meiner Verantwortung zu stellen. Es tut mir leid, dass ich damals so war, wie ich war“.

Deshalb kann ein „Es tut mir leid“ Ihr Kind erleichtern:

Das ist schmerzhaft zu sagen und zu hören. Und doch ist es der Ausweg aus der Sackgasse, denn es wird keine Schuld verteilt oder Rechtfertigungen geäußert. Mit der Übernahme der Verantwortung erkennen Sie an, dass Ihr Kind einen Preis zahlen musste. Nämlich Kontaktlosigkeit in einer Zeit, wo Kontakt so wichtig gewesen wäre. Diese Anerkennung – aus­gedrückt mit: „Es tut mir leid“ – erleichtert Ihr Kind ungemein. Jetzt wird es gesehen.

Wenn Sie überdies Ihre eigene Geschichte erzählen können, also was Sie als Kind erlebt haben, wieso Kontakthalten für Sie schwierig war und ist, dann öffnen Sie das Tor für einen erwachsenen Austausch von Elternteil zu Kind. Der Kontakt beginnt mit dem Gespräch über die bisherige familiäre Kontaktlosigkeit.

Zweite Ursache: Grenzenlosigkeit und Über­behütung

Der Gegenpol zur Kontaktlosigkeit ist die Grenzenlosigkeit und Über­behütung. Das Pendel ist damit ins andere Extrem einer Eltern­Kind­ Beziehung ausgeschlagen. Mütter und Väter, die am eigenen Leib Kontaktlosigkeit oder Einsam­keit in ihrer Herkunftsfamilie erlebt haben, wollen es anders machen.

Sie nehmen sich fest vor, Ihrem Kind die Erfahrung zu ersparen und schießen mit guter Absicht über das Ziel hinaus. Sie verlieren den Sinn für das natürliche Autonomiebestreben der Kinder. Eigentlich haben diese Eltern gar nicht die Kinder im Blick, sondern nur ihre eigenen Bedürfnisse nach Liebe und Harmonie. Das Kind wird zum Objekt der eigenen Bedürftigkeit. Sowas ist noch nie gut ausgegangen, wenn Sie eine gesunde Eltern-Kind-Beziehung haben wollen.

Prüfen Sie Ihre Motivation

Liebe kann es nie genug geben. Doch bezogen auf die Eltern-­Kind­Beziehung sollten Sie überprüfen, wann und wie Sie Ihr Kind wirklich lieben und wann es eigentlich nur um Sie als Mutter oder Vater geht. Um Ihren Bedürfnissen und Motivationen auf die Schliche zu kom­men, hilft eine kleine Übung. Vollenden Sie spontan folgende Aus­ sagen:

• Ich liebe, um …
• Ich mache alles, um …
• Ich bin immer für mein Kind da, weil …
• Ich vermeide Konflikte mit meinem Kind, um …

„Kontaktminderung oder ­-abbruch ist eine Art des Freischwim­mens von den Erwartungen der Eltern.“

Wenn Sie in den Begründungen von Ihrem Kind etwas wie Liebe, Aufmerksamkeit oder Dankbarkeit zurückerwarten, dann haben Sie eine Spur zu einem unerfüllten Bedürfnis in Ihnen.

Hinterfragen Sie sich, ob Ihr Kind wirklich die richtige Person dafür ist oder ob nicht eher jemand anderes die Bedürfnisse stillen sollte – zum Beispiel die eigenen Eltern, der Partner, die Partnerin, Freunde oder das soziale Umfeld. In den meisten Fällen spüren die Kinder nämlich, dass sie ein Ersatz sind für fehlende Aufmerksamkeit vom Partner oder Freunden oder sonst wem. Das ist jedoch nicht ihre Auf­gabe. Kontaktminderung oder ­-abbruch ist eine Art des Freischwim­mens von den Erwartungen der Eltern. Es ist ein schmerzhaftes Geschenk an Sie, sich den eigenen emotionalen Themen zu stellen.

melde dich

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