Wir müssen reden!

Kinderfotos im Netz: „Kinderbilder sind in bestimmten Kreisen zu einer Handelsware geworden.“

Darum solltest du erst überlegen und dann posten! Autorin: Dorothee Dahinden

von
Dorothee Dahinden

Kinderfotos im Netz: Ein Thema, bei dem sich Eltern oft streiten. Egal, ob in den Kommentarspalten oder in Gossip-Foren.


Anmerkung der Redaktion: Wir haben diesen Artikel am 7. Mai 2023 aktualisiert. Früher war unsere Gynäkologin Dr. med. Judith Bildau noch mit als Interviewpartnerin dabei. Doch Judith zeigt ihre Kinder gar nicht mehr in Social Media. Sie hatte eh schon klare Grenzen, aber eben diese noch viel enger gefasst. Genauso sieht auch unsere Herausgeberin Dorothee Dahinden das Thema „Eltern-Influencer*innen zeigen ihre Kinder“ viel kritischer als früher.


Oft läuft die Diskussion heiß, wenn es darum geht, ob wir unsere Kinder in Social Media oder auf Blogs zeigen sollten oder nicht. Wie weit dürften wir Eltern eigentlich gehen? Und wo liegen die Gefahren?

Nicht nur darüber möchte ich in diesem Artikel mit unserer Autorin Dr. med Judith Bildau, Rechtsanwältin Arzu Erdogan und  dem Hamburger Kriminalhauptkommissar Wiro Nestler sprechen. Ich konnte auch Aktivistin Toyah Diebel, die das Projekt #deinkindauchnicht ins Leben gerufen hat, für dieses Thema gewinnen. Ihr kennt Toyah und ihr Projekt wahrscheinlich aus den Medien. Die Fotos von ihr und Wilson Gonzalez Ochsenknecht haben 2019 die Runde gemacht. Ich freue mich sehr, dass sie mit dabei ist.


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Kinderfotos im Netz: Warum ich das Thema aufgreife?

Das Thema „Kinderfotos im Netz“ hat absoluten Zündstoff. Scheinbar gibt es hier nur Schwarz oder Weiß. Auf der einen Seite Eltern, die ihre Kids zeigen, weil es zu ihrem Business dazugehört – und auf der anderen die, die vehement dagegen sind. Eine Diskussion, die oft in wüsten Beschimpfungen in den Kommentarspalten endet. Ich würde mir hier statt Wut noch mehr Dialog und Aufklärung wünschen. Denn ich habe beruflich und privat die Erfahrung gemacht, dass vielen Menschen gar nicht klar ist, wie es um die Persönlichkeitsrechte der Kinder wirklich bestellt ist, welche (mediale) Verantwortung wir als Eltern haben, wo die Fotos letztendlich landen und welche Schlüsse Fremde aus Fotos und textlichen Infos ziehen können.

Ich habe dazugelernt!

Gut aufbereitetes Wissen hilft einfach. Ich habe früher meine Kinder von hinten gezeigt, auch mal Namen genannt, aber dazugelernt. Mein Privatleben ist Privatsache! Heute wird mir schlecht, wenn ich sehe, wie Eltern-Influencer ihre Kinder in Social Media ausschlachten, um Reichweite zu generieren. Tatsächlich habe ich über Dritte vor ein paar Jahren den Rat übermittelt bekommen: „Du willst wachsen auf Instagram? Poste deine Kinder!“ What? Please! Niemals!

Früher war ich der Meinung: Ist den Influencer*innen selbst überlassen, wie sie mit den Fotos ihrer Kinder umgehen und was sie zeigen. Heute denke ich: Nein, eben nicht. Es müsste mehr Regeln geben, eine andere Rechtsprechung – zum Schutz der Kinder. Mir geht es nicht darum, die Kinder im Netz auszuradieren, sie sind Teil des gesellschaftlichen Lebens. Aber in vielen Fällen gibt es keine Grenzen mehr, die Kinder werden bloßgestellt. Durch Nacktheit, intime Situationen, zu viel private Details. Da müsste es Konsequenzen geben.

Ich bin kritischer geworden!

Die Frage ist ja nicht nur „Was machen Fremde mit den Daten?“, sondern auch „Was ist, wenn die Kinder groß sind und ihre Mitschüler und Mitschülerinnen Witze machen, sie vielleicht gemobbt werden, weil sie irgendwo nackt zu sehen waren oder eine Situation für die Eltern vermeintlich lustig war (Windel übergelaufen), die aber eigentlich total unlustig und despektierlich ist?“ Also: Bitte übernehmt Verantwortung und denkt erst, bevor ihr postet!

Anke Brinkmann hat nach dieser Erfahrung alle Fotos gelöscht!

dick na und Anke Brinkmann
Foto: Anke Brinkmann

Nachdenklich gemacht hat mich auch ein Gespräch mit Anke Brinkmann, die früher den Blog „Mutti spielt“ herausgegeben hat. Sie hat mir erzählt, dass sie in einer Facebook-Gruppe mit 60 000 Mitgliedern ein Video entdeckt hat, auf dem ein kleines Mädchen in Unterwäsche in einem offenbar desolaten Zustand zu sehen war. Die Mutter sprach wohl über Juckbeschwerden im Analbereich – und das Mädchen kratzte sich entsprechend. Anke hat ihrer Aussage nach die Mutter angeschrieben, gebeten das Video zu löschen und versucht, ihr zu erklären, wie sehr sich solche Videos verbreiten (können).

Anke war schockiert!

Anke sagt, sie sei sehr geschockt gewesen. Sie hat daraufhin alle Fotos von ihrer Tochter gelöscht, die sie bis zu dem Zeitpunkt öfter mit Gesicht gezeigt hatte. Sie sagt, ihr sei in dem Moment klar geworden, wie groß oft der Einschnitt in die Intimsphäre der Kinder sei. Und, weiter, Zitat: „Übrigens hat es keinen Unterschied in der Performance meiner Kanäle gemacht, dass ich keine Fotos meiner Tochter mehr gezeigt habe.“ Spannend, finde ich!

Mir geht es nicht darum, den Zeigefinger zu erheben. Oder mich über andere zu erheben. Sondern das Thema aufzugreifen und von verschiedenen Seiten zu beleuchten.

Kinderfotos im Netz – die Interviews & Meinungen!

„Ich bin völlig naiv in die große, weite Welt der Social Media gestartet.“

Dr. Judith Bildau

Kinderfotos im Netz Pubertas PraecoxIch gebe zu: Ich bin völlig naiv in die große, weite Welt der Social Media gestartet. Instagram, eine Bilder-App erschien mir wie ein virtuelles Tagebuch, in dem ich meine, unsere, Geschichte erzähle.  Die Geschichte einer Familie, die auswandert, Höhen und Tiefen meistert. Auf eine Bilder-App stellt man Fotos, logisch. Zu unserer Geschichte gehören wir alle, also auch die Kinder. Für mich war also klar, dass auch sie auf den Fotos auftauchten. Das habe ich wirklich so geglaubt- und auch so verteidigt. 

„Ich hatte überhaupt keine Kontrolle darüber, was damit geschah.“

Bis zu einem Erlebnis: Mich schrieb ein sehr lieber Follower auf Instagram an, dass er Fotos von mir auf verschiedenen Dating-Apps gefunden habe. Fotos, die ohne meine Erlaubnis von meinem Accounts genommen und auf andere Plattformen gestellt wurden. Unter anderem Namen, ohne mein Wissen.

Mich hat das völlig schockiert. Nicht unbedingt wegen meiner Person, sondern weil mir meine Naivität schonungslos vor Augen geführt wurde. Wenn meine Bilder aus Stories abfotografiert werden konnten, obwohl diese ja eigentlich nach 24 Stunden wieder in der Versenkung verschwinden, dann bedeutet das, dass das auch problemlos mit Fotos meiner Kinder passieren konnte. Ich hatte überhaupt keine Kontrolle darüber, was damit geschah. Eines war allerdings klar: Keine*r würde mir freundlicherweise schreiben, dass er sie irgendwo im Darknet gefunden hatte.

Ich schütze meine Töchter vor den Gefahren im World Wide Web!

Die darauffolgende Entscheidung war nicht nur ziemlich simpel, sondern auch völlig logisch: Ab sofort keine Fotos meiner Kinder mehr im Netz. Wenn sie irgendwo zufälligerweise zu sehen waren, okay, aber keine stolzen Mamafotos mehr, mit Geschichten über sie. So, wie ich auf sie anpasse, wenn meine Töchter über eine stark befahrene Straße gehen, so schütze ich sie im Dschungel dieses unübersichtlichen World Wide Web. 


„Wie traurig ist es, wenn man seinen Drang nach Aufmerksamkeit und Likes über die Bedürfnisse des eigenen Kindes stellt?“

Toyah Diebel, Aktivistin

Liebe Toyah, wann bist du das erste Mal mit dem Thema „Kinderfotos im Netz“ in Berührung gekommen bzw. wann ist dir klargeworden: „Ich möchte mein Kind da absolut raushalten.“ Gab es da einen einschneidenen Moment oder ist die Entscheidung gewachsen?

Kinderfotos im Netz
Foto: Toyah Diebel

Mir selbst war es schon immer sehr wichtig die Kontrolle darüber zu haben, welche Bilder von mir im Internet landen und welche nicht. Viele Eltern nehmen ihren Kindern diese Entscheidung ab und verletzen nicht selten dabei die Persönlichkeitsrechte und Würde der Kinder. Dadurch, dass ich selbst sehr aktiv auf Instagram bin, habe ich mich gefragt, warum so viele Kinder ungeschützt und in ihrer Privatsphäre gestört, im Netz landen. Seit ich selbst Mutter bin, kann ich dieses fahrlässige Verhalten noch viel weniger verstehen.

Es gibt einen Unterschied zwischen Werbeanzeigen und Mamabloggern!

Ich persönlich zeige meine Kinder auch nicht. Trotzdem kann ich schon das Argument verstehen, dass Kinder zu unserer Gesellschaft gehören und ich würde es auch komisch finden, wenn ich nirgendwo mehr auch nur ein Kind sehen würde. Wie siehst du das? Geht es dir persönlich „nur“ um (private) Social Media-Kanäle oder gehst du noch einen Schritt weiter und sagst: Auch keine Kinderfotos bei Online-Versandhändlern, selbst wenn wir nicht wissen, wer das Kind genau ist? Da würden mich deine Gedanken sehr interessieren.

Kinderfotos im Netz
Wilson Gonzalez Ochsenknecht für #deinkindauchnicht. Urheberin: Toyah Diebel. Foto: Delia Baum

Die Kinder die wir aus Filmen, Werbenanzeigen o.ä. kennen, sind meist völlig anonymisiert. Wir wissen selten die echten Namen, Wohnort, Hobbys usw. Bei all den Mamabloggern kann ich diese Informationen einsehen. Ich weiß meistens sogar, wann das Kind wo hin geht, welche Spielzeuge es am liebsten mag, wie das Kinderzimmer aussieht. Mir geht es nicht darum, so zu tun als gäbe es keine Kinder, sondern um zu gewährleisten, dass die Privatsphäre eines Kindes zu jeder Zeit geschützt wird. Übrigens ein Menschenrecht.

Wo bleibt die Kontrolle auf Instagram?

Dazu kommt, dass Kinder, die in „professionellen“ Produktionen mitwirken, streng überwacht werden. Offiziell darf in Deutschland kein Kind ohne Arbeitserlaubnis vom Jugendamt arbeiten – zu recht: Wer kontrolliert sonst, wie oft die Kinder irgendwelche Produkte essen, anziehen und inszenieren müssen? Dass das auf Instagram überhaupt erlaubt ist, macht mich wütend.

Toyah Diebel für #deinkindauchnicht. Urheberin: Toyah Diebel. Foto: Delia Baum
Kinderfotos im Netz
Toyah Diebel #deinkindauchnicht. Urheberin: Toyah Diebel. Foto: Delia Baum

Was ich bei der Diskussion bei „Kinderfotos im Netz“ oft problematisch finde, ist, dass Frauen/ Familien, die sich entscheiden, ihre Kinder öffentlich zu zeigen, harsch angegangen werden. Hasskommentare, Wut – es entladen sich regelrechte Gefühlsgewitter. Was glaubst du: Wie kommen wir in eine offene Diskussion ohne Beleidungen? 

Sind wir mal ehrlich: Wenn uns jemand in unsere Erziehung reinquatscht, gefällt uns das nie. Ich verstehe, wenn Eltern da mal „überkochen“. Natürlich bringen reine Beleidigungen und Anschuldigungen rein gar nichts, sondern verhärten nur die Fronten. Aufklärung in Sachen Medienkompetenz ist meiner Meinung nach der einzig richtige Weg.

„Guck mal süß in die Kamera, dann ist Mama stolz auf dich!“

Ich sage schon: Wenn sich eine Familie dazu entscheidet, ihr*e Kind*er zu zeigen, dann ist das ihr persönlicher Weg. Eine Sache finde ich allerdings sehr schwierig. Ich habe in letzter Zeit immer wieder den Satz, auch als Ratschlag an Instagrammerinnen verpackt, gehört: „Wenn du wachsen willst auf deinen Social Media-Kanälen, dann zeig deine Kinder.“ Puh. Also: Entweder zeige ich sie oder eben nicht. Und wir wissen ja alle, dass Kinderfotos „ziehen“. Aber Kinderfotos als Mittel für Erfolg…Was denkst du, wenn du solche Ratschläge hörst?

Kinderfotos im Netz
Wilson Gonzalez Ochsenknecht für #deinkindauchnicht. Urheberin: Toyah Diebel. Foto: Delia Baum

Gut, sie haben leider Recht. Kinderbilder ziehen natürlich besser. Aber wie traurig ist es, wenn man seinen Drang nach Aufmerksamkeit und Likes über die Bedürfnisse des eigenen Kindes stellt? Die Kinder werden für die eigenen Zwecke benutzt und dazu emotional ausgenutzt. „Guck mal süß in die Kamera, dann ist Mama stolz auf dich!“ Das ist doch krank.

Gibt es noch irgendetwas, was du unseren Leser*innen mit auf den Weg geben möchtest?

Ist die Privatsphäre meines Kindes wirklich geschützt? Wenn nicht, bitte das Bild einfach nicht ins Netz laden.


„Gerade weil Kinder durch ihre Eltern gesetzlich vertreten werden, ist von diesen das Persönlichkeitsrecht ihres Kindes besonders zu achten.“

Arzu Erdogan, Anwältin für Urheber- und Medienrecht

Liebe Arzu, wie stehst du als Rechtsanwältin zum Thema „Kinderfotos im Netz“? Was sagst du: Ist das zeigen grundsätzlich OK? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Und ab welchem Alter? Mich würde zunächst deine persönliche Meinung interessieren.

Kinderfotos im Netz
Rechtsanwältin Arzu Erdogan, Foto: Arne List

Gerade weil Kinder durch ihre Eltern gesetzlich vertreten werden, ist von diesen das Persönlichkeitsrecht ihres Kindes besonders zu achten. Insbesondere dann, wenn das Kind noch nicht die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzt, die Konsequenzen einer solchen Veröffentlichung und Verbreitung zu erfassen. Daher finde ich es in der Tat nicht okay, wenn Eltern Bilder ihrer Kinder naiv ins Netz stellen, ohne sich zu fragen, was wird mein Kind wohl in 10-15 Jahren darüber denken.

Kinderfotos im Netz: So sehen die Persönlichkeitsrechte aus!

Wie ist das eigentlich: Darf ich als Mutter, Vater, Eltern eigentlich mein Kind einfach so überall zeigen und online verbreiten? Wie sind die Persönlichkeitsrechte geregelt? Kleine Kinder können ja zum Beispiel noch nicht sagen, ob sie das wollen oder nicht. Ihnen fehlt da ja die Weitsicht bzw. Einsicht. Was sagt der Gesetzgeber da?

Grundsätzlich ist jeder Mensch unabhängig vom Alter Träger von Persönlichkeitsrechten. Das Recht am eigenen Bild ist Teil des Persönlichkeitsrechts und findet sich in para. 22 Kunsturhebergesetz (KUG) wieder.

Demnach kann ein Foto nicht ohne die Einwilligung der abgebildeten Person, in unserem Fall also des Kindes, verbreitet werden. Bis zu 7 Jahre alte Kinder sind geschäftsunfähig. Die Zustimmung wird durch die Eltern als gesetzliche Vertreter erteilt.  Kinder, die das 7. Jahr vollendet haben, sind beschränkt geschäftsfähig, d.h. der Gesetzgeber unterstellt ihnen eine gewisse Einsichtsfähigkeit. Wann aber die konkrete Einsichtsfähigkeit im Hinblick auf die Verbreitung von Lichtbildern im Internet bei einem Kind anzunehmen ist, kann man nicht allgemeingültig beantworten. Das Kind muss ja selbst einschätzen können, mit welchen Risiken die Veröffentlichung seines eigenen Bildes im Internet verbunden ist.

Kinderfotos im Netz – mit 14 Jahren sollte ein Kind nicht mehr der Willkür seiner Eltern ausgesetzt sein!

In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass ein Kind mit spätestens 14 Jahren zumindest nicht mehr der Willkür seiner Eltern ausgesetzt sein sollte. Das heißt spätestens mit 14 Jahren darf das Kind mitentscheiden und spätestens ab dann müsste für die Veröffentlichung eines Bildes sowohl die Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern als auch die des Kindes vorliegen.

Kinderfotos im Netz: „Die Eltern üben die Rechte nur für die Kinder aus.“

Wer hat am Ende denn eigentlich dann das Recht am eigenen Bild? Die Eltern oder das Kleinkind…

Die betroffene Person ist als Inhaber des Persönlichkeitsrechts auch Inhaber des Rechts am eigenen Bild. Die Eltern üben die Rechte nur für die Kinder aus.

Wie sieht das bei größeren Kindern, Jugendlichen aus: Ab wann können sie einschreiten und sagen: „No way, Mama! Das postest du nicht.“ Und: Stimmt es, dass Kinder sogar rechtlich gegen ihre Eltern vorgehen können, wenn sie gegen ihren Willen Fotos verbreiten? Wenn ja, inwiefern?

s.o. Bei Kindern, welche die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzen, spätestens aber ab dem 14. Lebensjahr ist meiner Auffassung nach eine Veröffentlichung ohne ihre Einwilligung rechtswidrig und damit nicht zulässig. Klagen des Kindes gegen die eigenen Eltern sind vor diesem Hintergrund durchaus denkbar. Das Kind könnte die Eltern auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch nehmen.

 Die Einwilligung beider Elternteile muss vorliegen, wenn…

Angenommen, eine Mutter postet ein Foto des Kindes. Der Vater ist aber voll dagegen. Äh, wer hat denn nun Recht? Kann der Vater dann rechtlich gegen die Mutter vorgehen?

Grundsätzlich muss bei Angelegenheiten, die „von erheblicher Bedeutung“ sind, die Einwilligung beider Elternteile vorliegen. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn Eltern eine Entscheidung treffen, die beträchtlichen Einfluss auf die Zukunft des Kindes haben kann. Ob die Veröffentlichung eines Bildes in den Sozialen Netzwerken von erheblicher Bedeutung ist, wird man nicht pauschal beantworten können. Das kommt vermutlich auch auf die Art und den Umfang der Veröffentlichung an. Im Streitfall könnten die Eltern das Familiengericht anrufen.

„Toyah Diebels Aufregung erscheint schon ziemlich nachvollziehbar!“

Ein Vorwurf, der in Bezug auf Influencer, die ihre Kinder in Werbeaktionen einbinden, immer wieder im Raum steht, lautet: das wäre „Kinderarbeit“. Toyah Diebel schreibt, Zitat: „Dazu kommt, dass Kinder die in „professionellen“ Produktionen mitwirken, streng überwacht werden. Offiziell darf in Deutschland kein Kind ohne Arbeitserlaubnis vom Jugendamt arbeiten – zu recht: wer kontrolliert sonst, wie oft die Kinder irgendwelche Produkte essen, anziehen und inszenieren müssen? Dass das auf Instagram überhaupt erlaubt ist, macht mich wütend.“ Könntest du bitte die Rechtslage hier kurz erläutern?

Toyah Diebels Aufregung erscheint schon ziemlich nachvollziehbar, denn Kinder sind auf besonderen Schutz angewiesen. Dieser Schutzaspekt gebietet es, dass Kinderarbeit in Deutschland grundsätzlich verboten ist.

Es gibt aber gesetzliche Ausnahmen für Fälle, in denen Kinder durch die Arbeit nicht überfordert werden.

Jugendarbeitsschutzgesetz: Das sagt der Gesetzgeber!

Bezüglich eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gilt das Jugendarbeitsschutzgesetz. Gem. Paragraf 6 JArbSchG dürfen Kinder bei gestaltenden Tätigkeiten (z.B. Theatervorstellungen, bei Werbeveranstaltungen, bei Musikaufführungen oder bei Film- und Fotoaufnahmen) beschäftigt werden. Dies muss aber zuvor von der zuständigen Behörde für Arbeitsschutz genehmigt werden.

Die Beschäftigungsdauer hängt vom Alter des Kindes fest. Die zuständige Behörde für Arbeitsschutz macht daher Vorgaben hinsichtlich der Uhrzeit und den Tagen, an denen das Kind beschäftigt werden darf.

Die Rechtslage ist in diesem Bereich leider schwammig!

Das Jugendarbeitsschutzgesetz gilt aber nicht für die selbstständige Tätigkeit von Kindern.zB als Influencer. Noch weniger gilt das Gesetz, wenn Eltern ihre Kinder quasi als Beiwerk in ihren eigenen Social Media Auftritten präsentieren. Da auch in diesen Fällen die Entwicklung und Gesundheit des Kindes betroffen sein kann, erscheint es ratsam, das Jugendamt miteinzubeziehen. Die Rechtslage in diesem Bereich ist aber leider viel schwammiger als im Falle eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Auf jeden Fall müssen die Eltern darauf achten, die Interessen ihrer Kinder zu respektieren und nicht mit ihren eigenen Interessen zu ersetzen.

Ich habe in letzter Zeit immer wieder den Satz gehört „Zeig deine Kinder, dann wächst du in Social Media“ – so oder so ähnlich formuliert. Was sagst du als Anwältin dazu?

Ich halte diese Haltung für äußerst problematisch, da sie die Instrumentalisierung des Kindes für eigene Zwecke für legitim hält. Bei Maßlosigkeit oder Überschreitung anderer Grenzen, z.B. bei der Art der Darstellung von Kindern sollte man sich zumindest nicht wundern, wenn das Jugendamt mal vorbeischaut.


„Kinderbilder sind in bestimmten Kreisen zu einer Handelsware geworden.“

Wiro Nestler, Landeskriminalamt Hamburg

Lieber Herr Nestler, wir haben uns ja schon vor ein paar Jahren bei einem RTL-Dreh kennengelernt. Damals ging es um das Thema „Wie schütze ich meine Kinder vor möglichen Gefahren in Internetforen?“ Wir konnten damals von den Kindern/ Jugendlichen regelrecht „Daten ziehen“ und sie bzw. ihre Mütter damit „an der Haustür konfrontieren“ und sensibilisieren – dafür, dass wir vorsichtig mit unseren persönlichen Daten umgehen. Nun hat sich die Welt weitergedreht. Unser Leben findet häufig viel online statt. Auch das von vielen Eltern. In Social Media, auf Blogs. Online heißt eben auch, dass viele Eltern sich dazu entscheiden, dass ihre Kinder Teil dieses Online-Lebens sind. Darf ich mal so direkt fragen: Was sagen Sie persönlich zu dieser Entwicklung?

Kinderfotos im Netz
Foto: Wiro Nestler, Landeskriminalamt Hamburg

Dass Menschen das Internet nutzen, um andere an ihrem Leben teilhaben zu lassen, gehört heute zur gesellschaftlichen Realität. Dabei unterstelle ich, dass die Entscheidung, das eigene Privatleben zu veröffentlichen (also einem unbestimmten Personenkreis zugänglich zu machen), auf einer informierten und selbstbestimmten Grundlage beruht.

Und solange es dabei ausschließlich um die Darstellung der eigenen Person geht, halte ich dies grundsätzlich für unproblematisch – auch wenn ich persönlich diese Tendenz zur Öffentlichkeit nicht teile. Kritisch wird es aus meiner Sicht dann, wenn Eltern auch das Leben ihrer Kinder auf diese Art für die Allgemeinheit offenlegen.

Kinderfotos im Netz: „Hier kommt den Eltern eine besondere Verantwortung zu.“

Eltern, die ihre Kinder zeigen, argumentieren u.a. damit, dass Kinder eben auch Teil der Gesellschaft sind. Und ich kann es auch verstehen, wenn jemand einen Familienblog betreibt und sagt: „Meine Kinder zeige ich, sie gehören zu meinen Geschichten.“ Können Sie das nachvollziehen oder haben Sie als Kripobeamter einen anderen Blick auf die Dinge?

Natürlich machen Kinder einen erheblichen Teil der elterlichen Lebenswirklichkeit aus. Jedoch sollten Eltern immer bedenken, dass das ihnen anvertraute Recht, über Angelegenheiten des Kindes zu bestimmen, gewichtigen Beschränkungen unterliegt: das elterliche Sorgerecht ist nämlich in erster Linie am Wohl des Kindes auszurichten. Und es erscheint zumindest fraglich, ob eine Veröffentlichung privater Angelegenheiten der Kinder dem Kindeswohl zuträglich ist. Ich könnte mir vorstellen, dass Kinder – spätestens wenn sie die Schwelle zum Jugendlichen erreichen – es nicht uneingeschränkt gut finden, wenn sie sich auf allen möglichen Fotos im Internet wiederfinden.

Kinderfotos im Netz

Hier kommt den Eltern eine besondere Verantwortung zu. Und es darf nicht vergessen werden, dass auch Kinder über ihre Rechte – zum Beispiel bezüglich der Frage, ob ein Bild von ihnen veröffentlicht werden darf oder nicht– selbst entscheiden können, sobald sie über die für eine solche Entscheidung nötige Reife verfügen. Eltern sollten die Meinung ihrer Kinder hier besonders ernst nehmen.

„Fotos von Kindern sind besonders kritisch.“

Welche Gefahren birgt es, wenn wir unsere Kinder zeigen? Wo können die Fotos landen? Was kann damit passieren?

Man muss sich klar machen, dass alles, was ins Internet eingestellt ist, nicht mehr sicher durch uns kontrollierbar ist. Auch restriktive Privatsphäre-Einstellungen sind kein verlässlicher Schutz gegen den Verlust bzw. die unkontrollierte Weiterverbreitung von Inhalten. Deshalb würde ich immer davon abraten, Fotos, auf denen Personen klar zu erkennen sind, ins Netz zu stellen.

Kinderfotos im NetzUnd Fotos von Kindern sind hier besonders kritisch – denn wie die Fälle der jüngsten Vergangenheit zeigen, gibt es Menschen, die das Internet gezielt nach Bildern von Kindern durchsuchen, diese zu Sammlungen zusammenstellen und mit anderen an Kindern „interessierten“ Personen teilen – Kinderbilder sind in bestimmten Kreisen zu einer Handelsware geworden. Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass verantwortungsbewusste Eltern Bilder ihrer Kinder in solchen Sammlungen wiederfinden möchten.

Kinderfotos im Netz: das Internet wird systematisch „gescannt“

Konkret gefragt: Muss ich denn davon ausgehen, dass auch Menschen auf meinem Account landen und sich die Fotos angucken, die ich nicht bei mir haben möchte? Wie sehen da Ihre Erfahrungswerte aus?

Ich würde die Wahrscheinlichkeit durchaus als hoch bewerten. Gerade Formate, die Familienleben wiedergeben, werden mehr oder weniger systematisch nach Bildern von Kindern „gescannt“. Und auch wenn die Bilder nur kurze Zeit online sind, können diese schon kopiert und in unerwünschte Kanäle gelangt sein.

Am besten keinen Anreiz zur Weiterverwertung liefern.

Manche Eltern zeigen ihre Kinder als Teil der Familie, nur ab und an. Andere haben sich dazu entschlossen, ihre Kinder beim Großwerden zu zeigen. Das beinhaltet dann auch breiverschmierte Gesichter, am Strand, in der Badewanne. Welchen Unterschied machen diese beiden Herangehensweisen für Sie? Oder gibt es da für Sie möglicherweise gar keinen?

Aus meiner Sicht geht es hier weniger um die Frage der Häufigkeit sondern vielmehr um die Frage des Verantwortungs- bzw. Risikobewusstseins. Verantwortungsbewusste Eltern werden die Risiken, die mit dem Veröffentlichen von Familien- oder Kinderbildern verbunden sind, schon beim Fotografieren bedenken und Perspektiven oder Bildausschnitte wählen, die eben keinen Anreiz zur Weiterverwertung der Bilder liefern.

Ich habe nun immer wieder den Rat an Influencer gehört: „Wenn du deine Kinder zeigst, wächst du…“ – Was denken Sie, wenn Sie solche Aussagen hören?

Ich halte solche Aussagen für sehr gefährlich. Der Hinweis mag aus einer reinen Marketing- Perspektive richtig sein – er lässt jedoch die hiermit verbundenen Risiken (unkontrollierbare Weiterverbreitung, Verletzung der Rechte der Kinder etc.) völlig außer Betracht und ist aus meiner Sicht Ausdruck für eine Haltung, in der Kinder für die eigenen Zwecke instrumentalisiert werden.

Kinderfotos im Netz: das sollten Eltern aus Kripo-Sicht beachten!

Wie sieht denn für Sie als Elternblogger ein gewissenhafter Umgang mit Fotos aus? Auch für die, die nun einmal sagen: „Ich möchte meine Kinder gerne zeigen.“ Was gilt es zu beachten? Welche Regeln vermitteln Sie bei der Kripo?

Grundsätzlich würde ich Eltern vom Veröffentlichen von Bildern ihrer Kinder abraten – diese Empfehlung bestätigen auch alle Kolleginnen oder Kollegen, die mit Ermittlungen im Internet zu tun haben. Wer dennoch nicht auf die Veröffentlichung von Kinderbildern verzichten will, dem würde ich folgende elementare Regeln und Hinweise ans Herz legen:

1. Besprich das Vorhaben mit Deinen Kindern und nehme ihre Meinung ernst!

2. Wähle ausschließlich Bilder (oder Bildausschnitte), die möglichst wenig nackte Haut zeigen und auf denen Deine Kinder nicht zu identifizieren sind.

3. Schütze alle Bilder bestmöglich mit den Mitteln, die Dir der Dienst, über den Du die Bilder veröffentlichen willst, bereitstellt.

4. Sei Dir immer darüber im Klaren, dass Du mit der Veröffentlichung von Fotos die Kontrolle über diese Bilder aus der Hand gibst.

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