Erziehung

Verträumte Kinder: das brauchen sie im heutigen Alltag!

Die Psycholog*innen Stefanie Rietzler & Fabian Grolimund erklären, warum Tagträumen so wichtig ist! Autorin: Dorothee Dahinden

von
Dorothee Dahinden

Was brauchen verträumte Kinder genau? Die Schweizer Psycholog*innen Stefanie Ritezler und Fabian Grolimund mit spannenden Antworten.

*Dieser Artikel enthält einen Affiliate Link*, am Ende des Artikels (hinter dem Link) erklären wir dir, was das genau bedeutet. Zugleich ist das hier unbeauftragte Werbung für Kolleg*innen, die wir sehr schätzen.


Stefanie und Fabian haben jetzt ein neues Buch auf den Markt gebracht („Lotte, träumst du schon wieder?“). Es geht um Lotte, das kleine verträumte Hasenmädchen. Eltern und Kinder können in dieser Geschichte mit Abtauchen – und zwar in Lottes Traum- und Gefühlswelt. Wir lernen verstehen – wie träumende Kinder sich im stressigen Alltag fühlen und wie wir ihnen dabei helfen können, sicher und geborgen durch unsere schnellebige Zeit zu kommen.


Liebe Stefanie, lieber Fabian – ich finde euer Buch total toll, das erst einmal vorab. Ich finde das Thema an sich nicht nur spannend, sondern die Umsetzung auch griffig für uns Eltern. Erzählt doch mal: wie seid ihr auf die Idee zu „Lotte, träumst du schon wieder?“ gekommen?

Danke für das Kompliment, das freut uns sehr! Wir begleiten seit vielen Jahren Eltern, deren Kinder Probleme in der Schule haben, und bilden Fachpersonen, insbesondere Lehrer*innen, im Bereich Lerncoaching weiter. Dabei stießen wir immer wieder auf Kinder und Jugendliche, die es in der Schule schwer haben, weil sie verträumt, vergesslich, unaufmerksam und langsam sind.

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Verträume Kinder: Wir möchten konkrete Hilfestellung bieten und das Thema in die Öffentlichkeit bringen!

verträumte Kinder
Foto: Stefanie Rietzler & Fabian Grolimund, Psycholog*innen @mitkindernlernen

Sie hören den ganzen Tag, dass sie sich beeilen, endlich in die Gänge kommen, sich besser konzentrieren und ordentlicher sein sollen. In unserer Arbeit ist uns aufgefallen, dass die Erwachsenen an verträumte Kinder zwar viele Forderungen stellen, aber es wenig konkrete Hilfestellungen gibt. Das ist bei anderen Lernschwierigkeiten wie Lese- Rechtschreibschwäche oder Dyskalkulie (Rechenstörung) ganz anders, da gibt es mittlerweile viele gute Trainingsprogramme und mehr Verständnis, dass Betroffene in diesen Fächern mehr Zeit und Übung brauchen.

Von verträumten Kindern wird aber meist lediglich verlangt, dass sie sich mehr anstrengen. Das setzt diese Kinder noch stärker unter Druck und hilft ihnen nicht weiter. Uns macht es betroffen, wenn wir die vielen feinfühligen, fantasievollen und kreativen Kinder sehen, die nach einiger Zeit in der Schule über sich sagen:

„Ich bin sowieso zu dumm!“,

„Die anderen können alles viel besser als ich!“,

„Mein Kopf spinnt.“

Wenn wir mit Lehrkräften arbeiten, stellen wir auch oft fest, dass verträumte Schüler*innen untergehen. Sie stören den Unterricht nicht, wie beispielsweise hyperaktive oder impulsive Kinder. So merken die Lehrer*innen lange gar nicht, wie sehr verträumte Kinder im Stillen leiden. All das gab den Ausschlag, ein Buch für verträumte Kinder und ihre Eltern zu schreiben.

Ein Buch für verträumte Grundschulkinder und ihre Eltern.

Worum geht es in eurem Buch? Und welche Eltern sprecht ihr an?

verträumte Kinder
Quelle: @mitkindernlernen

Alles dreht sich um das zehnjährige Hasenmädchen Lotte, das an endlosen Hausaufgaben, schlechten Noten und der Kritik ihrer Eltern und der strengen Lehrerin Frau Luchs zu zerbrechen droht. Wenn der Druck zu groß wird, flüchtet sich Lotte in ihre Traumwelt, wo sie als mutige und tapfere Piratin die Erfolge erlebt, die sie in ihrem Alltag vermisst. Eine geheimnisvolle Begegnung mit einer weisen Wölfin stellt Lottes Welt gehörig auf den Kopf und katapultiert sie mitten in ein Abenteuer, bei dem sie nicht nur den „Wolfsblick“ kennenlernt, sondern auch ihre innere Stärke und den Wert des Träumens entdeckt.

Unser Buch richtet sich an verträumte Grundschulkinder und ihre Eltern. Besonders schön fänden wir es, wenn Eltern die Geschichte vorlesen und die Kinder Zeit haben, die zauberhaften Illustrationen von Marcus Wilke zu bestaunen.

Unser Buch soll dabei helfen, sich leichter in verträumte Kinder einzufühlen.

Was können wir Eltern aus eurem Buch lernen?

Wir wünschen uns, dass es Eltern und Lehrkräften leichterfällt, sich in verträumte Kinder einzufühlen und die Welt aus ihren Augen zu sehen. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass Familien konkrete Möglichkeiten kennenlernen, damit verträumte Kinder mit den Anforderungen der Schule und des Alltags besser zurechtkommen: Hausaufgaben machen, sich bewusst konzentrieren, auch mal schnell sein – wenn es darauf ankommt,
im Unterricht zuhören, sich besser organiseren.

Unser Hasenmädchen Lotte hat dazu extra eine Trickkiste zusammengestellt. Wir hatten rund 60 Testleserfamilien, die das Manuskript vorab gelesen und uns Rückmeldungen dazu gegeben haben. „So ist das bei uns auch! Und du sagst auch immer solche Sachen zu mir!“ – das haben offenbar viele Kinder ihren Eltern beim Lesen der Geschichte zurückgemeldet. Daraus ergaben sich wiederum Gespräche in der Familie: über den Druck in der Schule, das ständige Gefühl der Zeitnot, das Tagträumen und die Frage, wie man füreinander da sein kann. Das hat uns sehr berührt. Genau das würden wir uns wünschen.

(Verträumte) Kinder sollten die Fähigkeit des Tagträumens bewahren!

Träumen ist doch eigentlich was tolles, oder? Wieviel Raum haben unsere Kinder denn eurer Erfahrung nach heute noch zum träumen? 

Ja, Tagträumen ist etwas Wunderbares! Die weise Wölfin Sakiba erzählt der kleinen Lotte
dazu in unserem Buch:

„Tagträume zeigen dir, was sein könnte. Sie sind das Tor zu neuen Ideen, zu deinen Wünschen und Gefühlen, sie führen dich zu Lösungen, auf die noch niemand zuvor gekommen ist.“

Wir finden es wichtig, dass Kinder sich diese Fähigkeit bewahren können. Je mehr wir aber einen durchgetakteten Alltag haben, die Erwachsenen ständig unter Zeitdruck stehen und von den Kindern erwarten, dass sie funktionieren und sich möglichst problemlos in das Programm der Erwachsenen einfügen und nach der Uhr leben, desto knapper wird der
Raum für Tagträume, Kreativität und Langsamkeit. Darunter leiden wir alle – die
verträumten Kinder aber ganz besonders.

Verträumte Kinder – „Erwachsene haben schon immer negativ auf das Tagträumen reagiert.“

Woran liegt es denn noch, dass viele Kinder nicht mehr träumen „dürfen“?

Tagträumen ist ein alltägliches, natürliches Phänomen. Selbst Erwachsene verbringen laut Studien fast die Hälfte ihrer Wachzeit in diesem Zustand. Ob gedankliches Abschweifen als störend empfunden wird, hängt von den Anforderungen des Alltags ab. Immer, wenn wir uns auf eine Aufgabe konzentrieren, einem Plan folgen, zuhören oder vorwärts machen sollen, steht uns das Tagträumen im Weg.

Getakteter Alltag: Kindern wird heute viel abverlangt.

Erwachsene haben schon immer negativ auf das Tagträumen reagiert: wenn ein Kind im Unterricht aus dem Fenster schaute oder an seinen Materialien herumspielte, anstatt zuzuhören oder zu arbeiten, gab es früher zum Teil heftige Strafen. Was früher anders war: die Kinder hatten deutlich mehr Zeiträume, in denen sie keinem Programm folgen mussten, das sich die Erwachsenen ausgedacht haben. Die Schultage waren kürzer und Freizeit hieß vor allem: frei spielen mit anderen Kindern ohne ständige Anleitung oder Beobachtung. Heute verbringen die Kinder neben der Schule viel mehr Zeit in Tagesstrukturen, ausserschulischen Betreuungsstellen, Hausaufgabenstunden, Sportvereinen, Musikunterricht. Damit müssen sie sich immer neu auf etwas einlassen, sich fokussieren, Regeln folgen, in der Gruppe zurechtfinden, zuhören, üben und Aufgaben lösen.

„Wir Erwachsenen sind uns oft gar nicht bewusst, wie schädlich dieser Optimierungszwang ist.“

verträumte Kinder
So sieht das Buch innen aus. Total schön und ansprechend gestaltet, finden wir.

Tagträumen ohne Schuldgefühle, negative Konsequenzen und dauernde Ermahnungen kann man eigentlich nur, wenn man gerade nichts anderes erledigen müsste. Und damit tun wir uns heute sehr schwer. Viele Eltern haben sogar bei der knapp bemessenen Freizeit der Kinder immer den Anspruch, dass diese sinnvoll und nutzbringend gestaltet werden muss: das heißt, dass das Kind immer etwas lernen und sich in irgendeiner Weise auf die Zukunft vorbereitet werden soll. Wir Erwachsenen sind uns oft gar nicht bewusst, wie schädlich dieser Optimierungszwang ist und wieviel eigentlich Wichtiges dadurch auf der Strecke bleibt. Neben der Familie müssten auch Kinderkrippen oder außerschulische Betreuungsstellen Zeiten einrichten, in denen es kein Programm gibt, die Kinder frei spielen oder sich einfach zurückziehen dürfen, wenn ihnen danach ist, ohne dass es gleich heißt: Das Kind beteiligt sich nicht, macht nicht mit, ist immer mit dem Kopf in den Wolken.

Träumen: „Diesen Zustand benötigen wir, um Erlebnisse, aber auch Gelerntes zu verarbeiten.“

Inwiefern ist dieses „Träumen“ denn wichtig für ein Kind und seine Entwicklung?
Und wann sagt ihr: jetzt dürft ihr eingreifen, liebe Eltern?

Sehr wichtig! Entweder fokussieren wir unsere Gedanken oder wir lassen sie schweifen. In unserem Gehirn sind dafür unterschiedliche Netzwerke zuständig. Wenn wir Tagträumen, ist das Ruhenetzwerk sehr aktiv. Diesen Zustand benötigen wir, um Erlebnisse, aber auch Gelerntes zu verarbeiten, über uns selbst nachzudenken, Pläne für die Zukunft zu schmieden und kreative Lösungen für Probleme zu finden. Wenn wir uns hingegen konzentrieren, brauchen wir das sogenannte exekutive Kontrollnetzwerk. Es hilft uns dabei, Aufgaben abzuarbeiten, unsere Konzentration aufrechtzuerhalten, uns nicht ablenken zu lassen, planvoll vorzugehen. Wird dieses beansprucht, ermüdet es. Automatisch schaltet sich das Ruhenetzwerk ein und man gleitet in Tagträume ab.

Unser heutiger Alltag ist sehr stark darauf ausgerichtet, fast die gesamte Zeit das Netzwerk der exekutiven Kontrolle zu beanspruchen. Dazu trägt auch die Digitalisierung bei: in Leerlaufzeiten oder Pausen ruht man sich kaum aus, sondern checkt Instagram, beantwortet Nachrichten. Mit der Zeit stellt sich ein diffuses Gefühl von Erschöpfung ein. Wichtig wäre – für Kinder und Erwachsene, eine gesunde Balance zu halten zwischen Fokussieren und gedanklichem Loslassen.

Kinder brauchen Freiräume, in denen sie Tagträumen dürfen.

Für Familien und unsere Gesellschaft ergibt sich daraus die Aufgabe, genügend Freiräume für die Kinder zu schaffen, in denen sie ihren Tagträumen nachhängen und ihren eigenen Rhythmus leben dürfen. Auf der anderen Seite benötigen verträumte Kinder konkrete Werkzeuge, um ihre Tagträume im richtigen Moment abzuschütteln und sich in einen konzentrierten und aufnahmebereiten Zustand zu versetzen. Für diese beiden Anliegen möchten wir uns mit unserem Buch „Lotte, träumst du schon wieder?“ stark machen.

Anmerkung der Redaktion: Stefanie hat uns das Interview stellvertretend für sich und Fabian gegeben.

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