Wir müssen reden!

Kinderfotos in der Öffentlichkeit: Aber bitte nicht MEIN Kind!

von
Dorothee Dahinden

Kinderfotos. Wir alle lieben sie. Machen sie. Ständig. Überall. Handy raus. Süßen Moment eingefangen. Den 2000. Vielleicht. Als Foto oder im Bewegtbild. Ja, das mache ich auch. Gerne sogar. Das Handy ist unglaublich praktisch. Aber für mich hat es auch eine Kehrseite der Medaille: Ich fühle mich manchmal nicht mehr sicher.

Und zwar vor den Handys anderer Eltern. In diesem Sommer stand ich schon panisch am Rand des Freibad-Babybeckens als ich wieder die Handys in der Sonne blitzen sah.

Ich höre mich noch zu meinen Kids nacheinander sagen: „Komm, lass uns doch mal daaaa drüben rutschen gehen.“ oder „Willst du was essen? Dann komm schnell(!) her.“


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Kinderfotos: Ich war manches Mal schon so richtig angekotzt.

Grund: Erstens möchte ich ungern, dass ich – wenn auch als Beiwerk – als Bikini-Muddi andere Handys schmücke. Und zweitens möchte ich nicht – und das ist für mich viel gravierender -, dass meine Kinder bei fremden Eltern ungefragt auf dem Handy landen. Und das, weil diese unbedacht Kinderfotos von ihren eigenen Kindern machen – und meine nunmal grad durchs Bild laufen oder im Wasser nebenan planschen.

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Ganz ehrlich? Ich war manches Mal schon so richtig angekotzt. Einfach, weil es für mich Orte und auch Situationen gibt, in denen Handys für mich einfach nichts zu suchen haben.

Wie zum Beispiel in der Schwimmhalle. Mein Mann hat mir von einem Vater erzählt, der neben seinem Sohn hergehechtet ist beim Schwimmkurs. Mann, ey. Ich kann ja verstehen, dass wir heute möglichst alle Momente konservieren wollen. Und wir wahnsinnig begeistert von unseren Kindern sind und das dann auch jedem zeigen wollen. Aber irgendwo… gibt es doch auch in der Öffentlichkeit Privatsphäre.

In manchen Momenten braucht es einfach mal keine Kinderfotos. Diese Momente können wir doch einfach genießen. Und sie auf unserer inneren Festplatte speichern. Als Erinnerung.

Kinderfotos

In der Turnhalle „nicht sicher“ vor den Handys anderer Eltern!

Die Sache nahm dieses Jahr ihren Lauf. Eines Tages stand ich in der Turnhalle mit meinen Kindern. Völlig gut gelaunt. Bis…ja…bis ich sah, dass ein Vater – unbekümmert der Lage, dass da ja nunmal auch andere Kinder im Raum waren und vielleicht auch kein Erwachsener Bock auf private Fotos oder Videos hatte – sein Kind filmte.

Leider waren die Freundinnen meiner Töchter und meine Töchter dann offensichtlich mit drauf. Ich war erst perplex. Dann wurde ich sauer. Ich habe ihn angesprochen, aber leider nicht darauf bestanden, den Film in meinem Beisein zu löschen. Er hat ein wenig verdattert reagiert. Und gezeigt: Ganz verstanden hatte er wohl nicht, was ich von ihm wollte.

Wir sollten die Selbstverständlichkeit überdenken!

Mich stört diese Selbstverständlichkeit, mit der wir manchmal überall und immer (ich überspitze) Fotos machen. Und ich nehme mich da selbst nicht aus, dass ich vielleicht auch irgendwann schonmal an unpassender Stelle mein Handy rausgeholt habe, um Kinderfotos zu machen.

Ein weiteres Beispiel: eine Kitafeier. Meine Kinder sind dort nicht freigegeben für Pressefotos oder Ähnliches. Die Leitung erinnerte vor der Veranstaltung noch einmal daran, dass private Fotos nicht erlaubt seien. Und dennoch: die Handys blitzten in der Sonne.

Und da habe ich auch etwas anderes nicht verstanden: Wie wollen wir unseren Kindern Regeln mitgeben, wenn wir sie selbst nicht einhalten? Ich habe Eltern dann darauf angesprochen und auch am Elternabend nochmal darum gebeten: Bitte lasst das Handy in der Tasche bei diesen Veranstaltungen. BITTE!

Kurzum: Bitte lasst uns öfter darüber nachdenken, ob die Situation angebracht oder das Fotografieren vielleicht auch gar nicht erlaubt ist. Und bitte fotografiert mein Kind nicht mit – auch wenn es nur ein Versehen ist! DANKE!

Kinderfotos: Wie sieht denn die Rechtslage eigentlich aus?

Aber: Dürfen andere Eltern mein Kind mit aufnehmen? Was kann ich tun, wenn andere Eltern das machen? Und: Worauf sollten wir bei diesem ganzen Daten verschicken eigentlich achten?

Darüber habe ich mit Rechtsanwätin Arzu Erdogan. Sie ist unter anderem spezialisert auf Urheber- und Medienrecht.

Liebe Arzu, andere Eltern fotografieren ungefragt mein Kind. Oder nehmen es mit auf, weil es eben dazwischen lief. Doof gefragt: Dürfen die das überhaupt? Selbst wenn mein Kind nur Beiwerk ist?

Grundsätzlich ist es so, dass niemand ungefragt fotografiert werden darf, weder Kinder noch Erwachsene. Dies galt auch bereits vor  Inkrafttreten der DSGVO.

Kinderfotos
Rechtsanwältin Arzu Erdogan, Foto: Arne List

Bei der Frage danach, ob ein Kind fotografiert werden darf, auch wenn es nur als Beiwerk erscheint, ist  nicht so einfach zu beantworten.

Nach dem Kunsturhebergesetz, welches bereits 1907 in Kraft getreten ist, ist eine Einwilligung der Person entbehrlich, wenn die Person auf dem Bild nur als sogenanntes Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheint. Die DSGVO ist da strenger und stellt auch dies unter einen sogenannten Erlaubnisvorbehalt. Das heißt, dass es verboten ist, es sei denn, dass eine  Rechtfertigung (z.B eine Einwilligung) besteht.

Ob die Beiwerk-Ausnahme aus dem Kunsturhebergesetz im Wege der ergänzenden  Auslegung bzw. Abwägung auch als Rechtfertigung/Ausnahme zu betrachten ist, ist noch umstritten.

Kinderfotos: Der Aufnehmende sollte aufgefordert werden, die Aufnahme zu löschen.

Ich habe es nun schon ein paar Mal erlebt, dass andere meine Kinder (wenn auch unabsichtlich) mit aufnehmen. Was kann ich dann tun? Ansprechen, ums Löschen bitten? Wie sind meine Rechte?

Ja, wenn keine Einwilligung oder eine sonstige Rechtfertigung besteht, sollte der Aufnehmende aufgefordert werden, die Aufnahme zu löschen und dies nachzuweisen.

Am Sichersten, wenn auch spitzfindig, wäre es wohl, wenn man eine schriftliche Bestätigung einholt. In Fällen des Fotografierens ohne Einwilligung oder andere Rechtfertigung kann sogar eine kostenpflichtige Abmahnung geboten sein, mit der eine
strafbewehrte Unterlassungserklärung gefordert werden kann. Das Ganze kann sogar in einen Rechtsstreit münden.

Kinderfotos: Die Eltern müssen die Einwilligung erteilen!

Gehen wir mal einen konkreten Fall durch. Mein Kind kommt in die Schule. Die Schule sagt: OK, ihr Eltern dürft fotografieren. Nur: Berechtigt das denn fremde Eltern, mein Kind in einem Gruppenfoto mit aufzunehmen?

Diese Frage kann ich ganz klar mit „Nein“ beantworten. Die Schule ist nicht berechtigt, eine Einwilligung für das Fotografieren irgendeines Kindes erteilen. Dies bleibt den gesetzlichen Vertretern des Kindes, also in der Regel den Eltern, vorbehalten.

Es sei denn, die Eltern haben der Schule eine Vollmacht zur Erteilung einer Einwilligung
erteilt, was sehr ungewöhnlich wäre. Die Schule selbst benötigt im übrigen ja auch eine Einwilligung für jedes Kind, wenn Klassenfotos aufgenommen und/ oder verbreitet werden sollen.

Kinderfotos auf Kindergeburtstagen: Kirche im Dorf lassen

Oder: Mein Kind feiert Geburtstag. Danach schicke ich die Fotos an die Mamas. Ähm. Ich gehe nun davon aus, dass ich vor dem Fotografieren grundsätzlich überhaupt fragen müsste. Ich weiß, dass es OK ist. Was sollte ich dennoch beachten? 

§ 2 c) DSGVO besagt, dass die Verordnung nicht anwendbar ist, wenn (in diesem Fall) die Fotos durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten angefertigt werden.

Den kleinen überschaubaren Kindergeburtstag könnte man wohl hierunter fassen. Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Den Erwägungsgründen zur DSGVO ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber, auch die Nutzung sozialer Netze und Online-Tätigkeiten ausnehmen will, sofern ausschließlich der persönliche oder familiäre Bereich betroffen ist.

Ich bin hier aber etwas skeptisch, da ich der Auffassung bin, dass auf den sozialen Netzwerke eine Beschränkung auf den persönlichen / familiären Bereich nicht gewährleistet werden kann, gleichgültig, wie viele Filter man aktiviert. Ich bin aber auch diesbezüglich sehr skeptisch.

Wir sollten vorsichtiger mit unseren Daten umgehen!

Und mal so ganz doof gesagt: Ich habe das Gefühl, dass vielen von uns das Gefühl fehlt, was mit unseren Daten gemacht wird. Wir verschicken fröhlich bei Whatsapp, laden bei Facebook und Instagram hoch. Ich persönlich weiß gar nicht, wer die Fotos meiner Kinder noch Tante Hilda oder der Freundin aus dem Schwarzwald zeigt. Das ist gruselig. Spinne ich nun oder haben wir längst die Kontrolle über unsere Fotos verloren. Wie sieht deine Meinung und dein Rat dazu aus?

Ich bin der Meinung, dass wir generell viel vorsichtiger mit unseren Daten umgehen sollten. Sehr leichtfertig geben wir persönliche Daten, Bilder u.ä. preis, ohne zu wissen, auf welchem Server dieser Welt diese Daten landen und wer sie wofür nutzt. Wir erklären ständig unsere Zustimmung, dass irgendeine App Zugriff auf unsere Fotos, Kontakte u.ä. hat. Welche Personen hinter dieser App stecken, wissen wir oft nicht.

Taucht ein Foto mal irgendwo im Netz auf, ist es de facto kaum mehr wegzukriegen. Es ist auch nicht so einfach und auch mit Kosten für den Betroffenen verbunden, gegen einen Verletzer in Indien, China, Russland oder irgend einem anderen Land vorzugehen.

Bitte seid skeptisch!

Bitte, bitte seid immer skeptisch. Überprüft auch bei Online-Käufen oder Apps, wer der Betreiber der Seite oder der App ist, damit Euch klar ist, wem Ihr Eure Daten preisgibt. Wichtig ist mir aber vor allem Euer Umgang mit den persönlichen Daten Eurer Kinder. Diese sind besonders schutzbedürftig und darauf angewiesen, dass ihre Eltern ihrer Verantwortung als gesetzliche Vertreter gerecht werden. Im Zweifel also die Kinder möglichst raushalten aus dem Internet.


Lieben Dank für das Interview, Arzu!

Hier geht es zur Internetseite von Arzu Erdogan. Und hier findet ihr die Rechtsanwältin bei Facebook.


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