Fehlgeburt: „Uns Frauen fehlt oft der Mut, darüber zu sprechen.“ Interview mit Kim Friedrichs.

Meine alte Kollegin Kim Friedrichs hat mich, Doro, bei unserem Wiedersehen mehr als beeindruckt. Noch nie habe ich eine Frau so offen über das Thema Fehlgeburt sprechen hören. Worte, die mich berührt haben. Worte, die gleichzeitig Mut gemacht haben. Und Kim möchte mit der Veröffentlichung ihrer Geschichte Mut machen und anderen Frauen zeigen, dass sie mit ihrem Schicksal nicht alleine sind.
Gleich vier Mal hintereinander hat die RTL Nord-Moderatorin & Reporterin nach der Geburt ihrer Tochter Fehlgeburten erlitten. Die Trauer saß und sitzt bis heute tief. Aber das Reden, sagt Mama Kim, habe ihr wahnsinnig bei der Bewältigung dieser Situation geholfen.
In unserem Interview erzählt euch Kim, was genau ihr und ihrem Mann widerfahren ist und wie sie den Weg zum doppelten Kinderglück nach den vier Fehlgeburten erlebt hat. Denn: Heute ist sie Mutter von zwei gesunden Kindern.
Liebe Kim, es war super schön dich mal wiederzusehen. Und echt intensiv. Denn ich muss ehrlich zugeben: Unser Gespräch hat mich nicht so richtig losgelassen. Du hast mir gegenüber offen und ehrlich von deinen Fehlgeburten erzählt. Ich war beeindruckt. Viele Frauen sprechen nicht über dieses Thema, so meine Erfahrung. Du schon. Warum?
Liebe Doro, mittlerweile gehe ich damit verhältnismäßig offen um, weil ich merke, dass es mir hilft und anderen auch. Es tröstet und es spendet Mut, ich habe mich plötzlich nicht mehr so alleine gefühlt. Allerdings habe ich über meine Fehlgeburten nicht direkt so offen gesprochen. Ich muss dazu sagen, das meine erste Schwangerschaft so unkompliziert war, wie ich es jeder Frau nur wünschen kann. Und daraufhin haben mein Mann und ich bei der zweiten Schwangerschaft sehr früh ganz offen über unser großes Glück geredet.
Leider hatten wir in der 10. SSW eine leere Fruchthöhle und ich musste ausgeschabt werden. Dieser Tag war so trostlos im wahrsten Sinne und ich hatte das Gefühl, es zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Und ich musste leider recht vielen erzählen, dass ich nicht mehr schwanger bin. In dem Jahr wurde ich allerdings noch drei mal schwanger und habe in allen drei Schwangerschaften wieder eine Fehlgeburt erlitten. Darüber habe ich erstmal gar nicht mehr gesprochen.
Erstens, weil meine Schwägerin gerade mit ihrem ersten Kind schwanger war und ich ihr diese unbeschwerte Glück nicht nehmen wollte und zweitens, weil ich es einfach nicht konnte. Mir fehlten tatsächlich die Worte. Nur sehr wenigen Menschen habe ich mich damals anvertraut. Mit der Zeit wurde es leichter und ich merke auch immer wieder, wie wichtig es ist, anderen Mut zu machen und sie wissen zu lassen, das sie nicht alleine sind mit diesem Schicksal. Und dass sie keine Schuld trifft.

Die Meisten, die etwas so Kostbares verloren haben, halten mittlerweile gesunde Kinder in den Armen.
Inwiefern hilft es dir, darüber zu sprechen?
Es ist wie ein unsichtbares Band zwischen uns Frauen, denn erstaunlicherweise habe ich erst durch meine Fehlgeburten erfahren, dass fast alle meine Freundinnen, Kolleginnen, Bekannte auch schon solch einen Verlust erleiden mussten, aber sie haben es nicht erzählt. Erst durch meine eigene Geschichte haben sie sich mir geöffnet. Uns Frauen fehlt oft der Mut, darüber zu sprechen. Die Trauer sitzt so tief und es ist tatsächlich auch nicht so einfach, darüber zu reden.
Aber sich mit all diesen anderen Frauen auszutauschen, hat mich ein Stück weit geheilt. Männer leiden natürlich auch mit ihren Frauen mit, aber sie erleben diesen Verlust nicht so körperlich, nicht so existenziell. Ich habe mich tatsächlich schuldig gefühlt…
Warum klappt es nicht, wieso bekomme ich es nicht hin. Und das obwohl ich ja schon ein gesundes Kind hatte und wusste, das mein Körper all das eigentlich kann. Die Gespräche mit all den anderen Frauen haben mich erst begreifen lassen, das Fehlgeburten leider oft zum Leben, zum Muttersein dazu gehören. Und das war ein Stück weit auch ein Trost. Zu erfahren, dass ich nicht die Ausnahme bin, sondern eher die Regel.
Wie sind die Reaktionen, wenn du deine Geschichte erzählst? Ich kann mir vorstellen, dass sich dann auch andere Frauen öffnen…
Ja, absolut. Die meisten trauen sich nicht, über ihre Fehlgeburten zu sprechen. Auch ich hätte es nicht sofort gekonnt. Aber wenn man dann erstmal die Ebene erreicht hat und sich gegenseitig seine Geschichte erzählt, hilft es den meisten. Der Austausch tut gut und macht viel Mut. Denn die meisten, die etwas so Kostbares verloren haben, halten mittlerweile gesunde Kinder in den Armen. Übrigens erzählen mir tatsächlich auch einige Männer von ihren Verlusten.
Du hast eine Tochter bekommen, dann wolltet ihr noch ein Kind…Was ist dann passiert?
Wir wollten eigentlich immer drei Jahre Abstand zwischen den Kindern, haben dann aber etwas schneller gesagt, wir wagen es… Und ich wurde auch recht schnell wieder schwanger. Aber wie bereits gesagt, musste ich ja leider in der 10. SSW ausgeschabt werden, da es eine sogenannte verhaltene Fehlgeburt war. Der Tag war so unendlich traurig, ich lag fast 12 Stunden im Krankenhaus und wurde dann irgendwann in den OP gebracht. Die Ärztin erzählte mir anschließend, sie hätten embryonales Gewebe gefunden. Ich war innerlich wie erstarrt. Dann wurde ich recht schnell wieder schwanger.
Meine Hebamme und mein Frauenarzt meinten, ich müsse nicht abwarten, ich solle der Natur einfach ihren Lauf lassen. Leider habe ich dann noch zwei weitere Schwangerschaften verloren. Und dann haben wir uns tatsächlich in einer Kinderwunsch- Klinik beraten lassen.
Heute wissen wir, dass unsere Beziehung große Belastungen aushalten kann.
Wie ging es dir in der Zeit?
Einerseits war ich unendlich traurig und teilweise auch schon ein bisschen hoffnungslos. Andererseits hatten wir ja bereits ein Kind. Unsere Tochter war ein riesiger Trost. Erstens wusste ich, dass mein Körper all das eigentlich kann und ich wusste auch, selbst wenn wir kein zweites Mal solch ein großes Glück haben sollten, wir hatten ja bereits ein kerngesundes Wunschkind und dafür war ich immer unendlich dankbar.
Wie habt ihr das als Paar verarbeitet?
Hatten die Ärzte eine Erklärung dafür, warum das passiert ist?

Wie hast du diese Schwangerschaft erlebt? Ich könnte mir vorstellen, dass sie ein Wechselbad zwischen absolutem Glück und Bangen war…
Ich kann mir vorstellen, dass die Geburt nach eurer Geschichte einfach nur wunderschön war…
Heute ist dein Glück perfekt. Wie sieht euer Familienalltag aus?
Turbulent- chaotisch, fröhlich und kuschelig. Ich bin eine leicht gluckige Mama und meine Kinder sind wirklich mein allergrößtes Glück. Meine Große ist erst kurz vor Jonahˋs Geburt in den Kindergarten gekommen. Vormittags tüddel ich also mit dem Kleinen rum. Er ist jetzt 16 Monate alt und ein sehr lebhaftes, wildes Kind. Ein richtiger kleiner Racker, nachmittags unternehmen wir alle zusammen etwas, puzzeln Zuhause, spielen im Garten, düsen auf den Spielplatz. Je nach Laune und Wetter. Und wahrscheinlich wie bei den meisten Familien. Zwei Kinder sind natürlich mehr Arbeit, aber in unserem Fall auch doppeltes Glück. Für uns war es genau die richtige Entscheidung, so lange für unser zweites Kind zu kämpfen.
Meine Erfahrung hat mich ein Stück dankbarer gemacht für das, was ich habe.
Was wünschst du dir für die Zukunft?

Und: Hast du noch einen Rat für Frauen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben?
Nicht den Mut verlieren. Und wenn es seelisch zu schwer ist, sich auch Hilfe zu holen. Niemand sonst kann und darf bewerten, wie sehr eine Fehlgeburt belastet. Manche Frauen kommen recht gut damit klar, andere zerbrechen fast daran. Ich habe trotz meiner vier Fehlgeburten immer auch viel Stärke in mir gespürt und hatte Menschen, mit denen ich mich immer austauschen oder auch mal nur weinen konnte.
Liebe Kim, wir danken dir von Herzen für dieses mutige, ehrliche und offene Interview! Weiterhin alles Liebe von uns!
Wer mehr über Kim erfahren oder mit ihr in Kontakt treten möchte – der findet sie bei Facebook oder Instagram.
Auch RTL-Moderatorin & Mama Susanne Böhm hat mit uns in einem Interview über ihren Schicksalsschlag während der Schwangerschaft gesprochen – ihren Artikel findet ihr hier.